O`zapft is – o`packt is – ausg`schamt is
O`zapft is
Gestern hat der Münchner OB Dieter Reiter pünktlich um 12 h bei strahlendem Sonnenschein mit zwei kräftigen Schlägen das erste Faß Bier angezapft und mit dem traditionellen Ausruf „auf eine friedliche Wiesn“ das 189.te Oktoberfest eröffnet. Nachdem gestern bereits die Wiesn-Wirte zusammen mit dem Münchner Kindl auf die Wiesn eingezogen sind, fand heute von 10 Uhr bis 12 Uhr bei ebenso schönem Wetter der traditionelle, sieben Kilometer lange Trachten- und Schützenzug von der Maximilianstraße zur Theresienwiese statt. Die Schauspielerin Monika Baumgartner verriet beim Wiesn-Frühschoppen des BR heute Mittag, dass sie leichtsinnnigerweise einmal einen frisch gekauften, in Papier eingewickelten Steckerlfisch beim Käfigschaukeln, bevor es losging, in der Ecke des Käfigs ablegte, woraufhin sich dieser beim Schaukeln schnell zerlegte und den ganzen Eisenkäfig versaute. Die Erinnerung an so kleine Missgeschicke bringt passend zur Wiesn schnell Stimmung in die Bude. Ein solches Missgeschick passierte vor vielen Jahren auch einmal einem OB beim Anzapfen, und zwar 1978 dem damaligen OB Erich Kiesl, als er nach gelungenem Anzapfen statt „O`zapft is“ laut „I`zapft os“ ins erwartungsvoll hingehaltene Mikrofon und in die Menge rief.
Die Menschen aus nah und fern lieben dieses Fest. „San ma froh, dass ma so was ham“. Es ist immer wieder ein grandioses Spektakel. Wie so oft, so gilt auch hier: die Mischung machts.
O` packt is
Vorgestern ergab sich die Gelegenheit, in einer Gruppe an einer Baustellenführung des Baureferats und des Referats für den U-Bahnbau der LH München zu dem Projekt „Verlängerung der U-Bahnlinie 5 von der Station „Laimer Platz“ zum Bahnhof Pasing“ teilzunehmen. Die Führung ging von dem Baustellenbetriebshof am künftigen, gerade im Bau befindlichen neuen Bahnhof Willibaldstraße (an Kreuzung mit der Gotthard-Straße) einige hundert Meter Richtung Stadtmitte und dann in die andere Richtung an der Baugrube für den U-Bahnhof Willibaldstraße vorbei zurück auf den Betriebshof. Wir besichtigten somit streckenmäßig das Los 1 (Abschnitt 1). Der restliche Streckenabschnitt bis Bahnhof Pasing über die Station „Am Knie“ wird der 2. , bereits beauftragte Bauabschnitt (Los 2) sein.
Man erfuhr, dass die Strecke vom Laimer Platz bis zum Bahnhof Pasing 3,8 km lang ist und drei neue Bahnhöfe haben wird. Man erfuhr ferner, dass das Projekt 1,3 Milliarden Euro kosten wird und welche technischen Probleme bewältigt werden müssen: zur Freilegung mussten 709 Bäume gefällt werden, die teilweise an den Langwieder See zwischenverpflanzt wurden und später bei der Oberflächenneugestaltung wieder verwendet werden sollen. Es müssen zahlreiche im Straßengrund befindliche Versorgungsleitungen provisorisch neu verlegt und dann wieder zurückverlegt werden. Unter dem neuen Bauwerk muss der Grundwasserstrom mittels neun sogenannter Düker abgesenkt und auf die andere Seite nach Norden geführt werden.
Später soll die U 5 von Pasing nach Freiham verlängert werden (Gesamtlänge 4,7 km) mit weiteren Bahnhöfen am Westkreuz, an der Radolfzeller Straße, der Riesenburgstraße und „Freiham Zentrum“.
Auftragnehmer des Bauloses 1 ist die ARGE Los 1, bestehend aus den Firmen Berger Bau, Berger Grundbautechnik, beide Passau, sowie die Fa. August Reiners Bauunternehmung GmbH. Die Streckenlänge des Loses 1 ist rund 1 km, davon sind 310 m Bahnhofsbauwerk. Der Auftrag für dieses Baulos wurde im Dezember 2021 erteilt. Die gesamte Trasse wird in sogenannter Schlitzwand-Deckel-Bauweise erstellt. Die Seitenteile des Deckelbauwerks sind zu einem großen Teil bereits betoniert und teilweise ist auch schon der Deckel betoniert. Wenn das Deckelbauwerk fertig ist, wird der Boden innen bis zur notwendigen Tiefe abgegraben. Dazu ist ein kompliziertes Grundwassermanagement nötig. Die Spannweite des Bauwerks beträgt zwischen 16 m und 23 m. Bis der Deckel aufgesetzt wird, muss das Bauwerk durch eng, im Abstand von 3 m gesetzte Betonteile ausgesteift werden.
Die geplante Bauzeit für das Los 1 ist 7 Jahre (von 2022 bis 2028).
Auf der webseite von einem der Auftragnehmer, der Max Bögl Stiftung & Co. KG, erfährt man, dass die LH München den Auftrag an das Konsortium (Bietergemeinschaft) Max Bögl Stiftung & Co. KG, Wyass & Freitag und Ed. Züblin AG für den Abschnitt 2 vom Bahnhof Willibaldstraße bis Pasing am 21.12.2023 erteilt hat. Laut website der Max Bögl Stiftung war der Baubeginn für das Los 2 wenig später am 1.3.2024 und beläuft sich die Bauzeit auf 96 Monate, das sind 8 Jahre. Nach dieser Rechnung müsste die Hauptbauleistung 2032 fertig gestellt sein. Dann folgt noch die Betriebstechnik und der Innenausbau.
ausg`schamt is
Eine Frage aus dem Kreis der Teilnehmer an der Baustellenführung war, was der Bau der Strecke bis Pasing kostet. Die Antwort der Mitarbeiterin der LH München war: „1,3 Milliarden €“. Hierzu warf der frühere langjährige Stadtrat der LH München und lange Mitglied des U-Bahnausschusses Thomas Schmatz (CSU) sogleich ein, die Finanzierung des Projektes habe schon 1987 gestanden und damals hätte das Projekt noch nur 400 Mio. DM (!) gekostet. Infolge politisch motivierter Verschleppung der Entscheidung im Stadtrat seitens der Fraktion der GRÜNEN sei Jahrzehnte lang nichts mehr weitergegangen. Die Münchner GRÜNEN hätten als Alternative zum U-Bahnbau auch für diese Strecke, um den Straßenraum für den Autoverkehr zu beschneiden, den Bau von Trambahnen propagiert, und zwar auch nach Freiham, und so den Bau von neuen U-Bahnen blockiert.
Recherchen im Internet bestätigten diese Einlassungen von Thomas Schmatz. Z.B. stieß Faktencheck auf einen Artikel in der
SZ vom 9.1.2020 „Der große U-Bahn-Zank“ von Dominik Hutter
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-u-bahn-streit-kommunalwahlkampf-1.4750483
in dem berichtet wird, dass seit 2010, d.h. seit der Inbetriebnahme der Verlängerung der U 3 vom OEZ bis nach Moosach, kein neuer U-Bahn-Abschnitt mehr in Bau gekommen sei, dass die GRÜNEN für die Münchner Kommunalwahl 2020 den MVV sehr früh zu einem großen Wahlkampfthema gemacht hätten und deswegen großes Kopfschütteln und Verärgerung nicht nur bei der Münchner CSU sondern auch bei OB Reiter und dessen SPD hervorgerufen hätten. Die Münchner CSU und die Münchner SPD seien nämlich überzeugt, so Dominik Hutter in dem Artikel, dass der Ausbau der U-Bahn in München „zum Erliegen“ gekommen sei. Weiter ist in dem Artikel zu lesen, dass die grüne OB Kandidatin Katrin Habenschaden im Münchner Presseclub der Darstellung, dass der U-Bahnbau in München aufgrund der ungünstigen Haltung der GRÜNEN zum Erliegen gekommen sei, mit den Worten widersprochen habe, dies stimme einfach nicht. Hutter in dem Artikel weiter: „Die Konkurrenten SPD und CSU schäumen vor Wut zu dieser vermeintlichen Anmaßung“. OB Reiter finde es „schwer nachvollziehbar“, wenn Tatsachen völlig verdreht würden und sich die GRÜNEN nun „als U-Bahn-Befürworter, ja als U-Bahn-Förderer“ darstellten“. Bemerkenswert ist auch die Passage in dem SZ-Bericht von Dominik Hutter, dass „der zornige CSU-Bürgermeister Manuel Pretzl“ kurz vor Weihnachten (2019) im Stadtrat aus der Parteizeitung der GRÜNEN „Grüne Mamba“ zitiert habe, in der sich die grüne Stadtratsfraktion noch damit gebrüstet habe, den Weiterbau der U 5 nach Pasing verhindert zu haben.
Tatsächlich hatten, wie die Recherche weiter ergab, die Münchner GRÜNEN in dem Bürgermeisterwahlkampf für 2020, als Katrin Habenschaden für den OB-Posten kandidierte, eine Kehrtwende vollzogen und sich nun plakativ als Förderer des U-Bahn-Baus in Szene gesetzt, siehe den
Bericht in der SZ vom 5.12.2019 „Sechs grüne Botschaften“ von Heiner Effern mit einem Foto der Bürgermeisterkandidatin für die OB-Wahl 2020 Katrin Habenschaden mit einem großen Wahlplakat mit Slogan drauf „Für U-Bahn-Bau statt Dauerstau„:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-kommunalwahl-2020-gruene-kampagne-1.4711811
Gefunden wurde auch ein Artikel im Wochenanzeiger von 2009 über eine Veranstaltung der Münchner CSU mit dem damaligen Zweiten Bürgermeister Josef Schmid, auf der dieser und drei weitere CSU-Stadträte, darunter Thomas Schmatz, dagegen wetterten, dass die GRÜNEN in der kurzen und schmalen Pasinger Gleichmannstraße zum Pasinger Bahnhof zum Entsetzen der dortigen Geschäftsleute eine Trambahn fahren lassen wollten.
Münchner Wochenanzeiger vom 4.9.2009: „„Verkehrsinfarkt“ – Trambahn-Verlängerung: CSU gegen Zerstörung der Einkaufsstadt Pasing“
Darin findet sich folgende Passage:
„„Thomas Schmatz bezichtigte Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) des Wortbruchs: „Er hat mehrfach erklärt, auch bei einer Bürgerversammlung, die U-Bahn nach Pasing komme ohne Wenn und Aber.“ Doch nach der Kommunalwahl im Jahr 2002 sei davon keine Rede mehr gewesen. Schmatz: „Das war eine glatte Lüge.“ Die CSU weiß Anwohner und Geschäftsleute hinter sich. Über 5000 Unterschriften gegen die Tram-Pläne seien gesammelt worden, berichtete Schmatz“.
Die recherchierten Berichte sprechen absolut dafür, dass Thomas Schmatz mit seiner Darstellung der Vorgeschichte der U 5-Verlängerung bei der Baustellenführung am 20.9.2024 die Wahrheit gesagt hat und dass also die Münchner GRÜNEN die Verlängerung der U 5 seit mindestens 2010, wahrscheinlich aber schon seit 1987, verschleppt haben. Weiter ist wahrscheinlich, dass die Verlängerung nach Pasing dadurch um mehr als das Sechsfache teurer geworden ist (Kosten jetzt 1,3 Mrd. € statt 400 Millionen DM bei Durchstarten mit dem Projekt schon 1987).
So trägt also höchstwahrscheinlich auch der U-Bahnbau in München (und nicht nur das von Andi Scheuer zu verantwortende Mautdebakel und vieles andere mehr, wie z. B. cum-ex und cum-cum) mit einem nicht geringen Betrag dazu bei, dass Steuergelder einfach versenkt oder geplündert werden.
Um den Kreis zur ersten Sequenz dieser Trilogie „O`zapft is“ zu schließen: was passt auf soviel Chuzpe besser, als ein zünftiger Wiesn Plattler: