Schwer ist leicht was – zur Gemeinderatssitzung am 14.11.2024 und zur Bauausschusssitzung am 26.11.2024

In Blog by Johann G. Böhmer

Wie oft in Gemeinderatssitzungen sind besonders Anliegen oder Fragen aus der Bürgerschaft in der aktuellen Viertelstunde interessant, die immer zu Beginn einer Sitzung auf der Tagesordnung steht. So war es auch in der Gemeinderatssitzung vom 14.11.2024.

Nicht zum ersten Mal waren zahlreiche Anwohner aus der Alpenstraße und einiger Nebenstraßen in einer Gemeinderatssitzung oder in einer Bauausschussitzung erschienen, die wegen der von einem Privatinvestor geplanten Flüchtlingsunterkünfte in dem Komplex Alpenstraße 68, 70, 72, Gröbenzell (Flurnummer 1800/2, ehemaliges Hirschberger-Areal, 3 Wohnhäuser und ehemalige Betriebsgebäude) besorgt sind und die inzwischen eine Bürgerinitiative gegründet haben.

In der Sitzung am 25.6.2024 hatte der Bauausschuss unter dem Protest zahlreicher Anwohner einem Antrag auf Nutzungsänderung zur Unterbringung von Flüchtlingen in der sog. Hirschberger-Villa, Hausnummer 72, mit 9:4 Stimmen zugestimmt. In der Beschlussvorlage steht, dass es sich um ein Haus mit 28 Betten handeln soll, heißt also, dass hier eine Unterkunft für 28 Flüchtlinge entstehen soll. Im Anschluss an den Protest in dieser Bauausschusssitzung gab es ein Gespräch von Vertretern der Anwohner mit dem 1. Bürgermeister Martin Schäfer und dem 2. Bürgermeister Martin Runge, das aber die Anwohner nicht beruhigte.

Daher traten die Anwohner durch Ihren Sprecher Herrn Thorsten Weigand in der aktuellen Viertelstunde der Gemeinderatssitzung vom 25.7.2024 erneut auf und stellten dem 1. Bürgermeister Fragen. Sie befürchteten, dass nun auch noch ein Bauantrag auf Aufstellung von Wohncontainern auf dem 3.000 qm großen Grundstück gestellt werde, und fragten den 1. Bürgermeister Martin Schäfer, ob ein solcher Antrag in der Gemeinde bereits vorliege oder bekannt sei. Wie der Presse zu entnehmen ist, schlug Bürgermeister Schäfer den Anliegern daraufhin noch in der Sitzung vor, ein Gespräch mit Landrat Karmasin zu führen. Offenbar verwies Bürgermeister Schäfer den Anliegern gegenüber in seiner Antwort auch darauf, dass es der Gemeinde gelungen sei, in Verhandlungen mit dem Landratsamt die Zahl der in der Alpenstraße unterzubringenden Flüchtlinge von 200 auf 100 zu begrenzen, wovon aber die Anlieger bisher nichts wussten. Sie kannten nur die Zustimmung der Gemeinde für 28 Flüchtlinge.

Der Berichterstattung der FFB-SZ ist weiter zu entnehmen, dass diese anschließend direkt beim Landratsamt nachfragte und die Auskunft erhielt, man prüfe, ob auf dem fraglichen Grundstück zusätzlich zu den vorhandenen Gebäuden/Häusern Wohncontainer aufgestellt werden können, und zwar in einer Variante Container mit 44 Schlafplätzen und in einer anderen Variante Container mit 78 Schlafplätzen. Laut FFB-SZ ging das Landratsamt gleichzeitig davon aus, dass die auf der Fl.-Nr. 1800/2 vorhandenen drei Wohnhäuser (Hausnummern 68, 70 und 72) mit insgesamt 54 Flüchtlingen belegt werden können, sodass die Anlieger im Gesamtergebnis mit einer Belegung dieses Grundstücks mit insgesamt 98 (bei der kleinen Containerlösung) bzw. mit 132 (bei der großen Containerlösung) Flüchtlingen rechnen mussten.

Quelle:

Gröbenzeller protestieren wegen Flüchtlingsunterkunft, FFB-SZ vom 6.8.2024, von Gerhard Eisenkolb

Das Ergebnis dieser Recherche paßte nun nicht ganz mit der Auskunft zusammen, die Bürgermeister Schäfer den Anwohnern in der Gemeinderatssitzung am 25.7.2024 gegeben hatte, es sei gelungen, die Zahl der Unterzubringenden Flüchtlinge von 200 auf 100 herunter zu schrauben.

Auch das FFB-Tagblatt berichtete am 6.8.2024 über die Gemeinderatssitzung am 25.7.2024 und den Auftritt dort der Anwohner:

100 Flüchtlinge mitten in Wohngebiet – jetzt protestieren die Anwohner, merkur.de vom 6.8.2024 von Guido Verstegen:

https://www.merkur.de/lokales/fuerstenfeldbruck/groebenzell-ort28765/wohngebiet-protestieren-jetzt-die-anwohner-100-fluechtlinge-mitten-in-93209131.html

Nach dem Bericht im Tagblatt war von insgesamt 192 Personen die Rede und fand das Gespräch von zwei Anliegern mit den beiden Bürgermeistern Schäfer und Runge in der Woche vor dem 25.7.2024 statt. Nach dem Bericht sollten nach Angaben der Gemeinde genau 98 Personen dort untergebracht werden.

Hauptargument der Anlieger

Zentrale Befürchtung der Anwohner war von Anfang an, dass die Gemeinde den Weg der dezentralen Unterbringung (Unterbringung in kleineren Unterkünften), den sie sich 2014 auf die Fahnen geschrieben hat, ohne nennenswerten Widerstand verlassen würde.

In den Presseberichten sind die wichtigsten Aspekte und die verschiedenen Positionen im Grunde gut zusammengefasst:

  • für das Landratsamt ist der Gröbenzeller Weg nicht mehr als ein Wunsch der Gröbenzeller
  • Gröbenzell habe bisher seine Aufnahmequote nicht erfüllt
  • Das Landratsamt betreibt landkreisweit bisher 15 Unterkünfte mit mehr als 50 Personen. In diesen wohnen derzeit 1.095 Personen. Davon sind 6 Containeranlagen. Die Zahlen würden sich ständig ändern.
  • Gröbenzell beherbergt zur Zeit 120 Flüchtlinge, davon 86 dezentral in 11 Wohnungen. 34 sind in einer Gemeinschaftsunterkunft.
  • Gehe der Krieg in der Ukraine weiter und werde er noch grausamer, sei mit weiteren bis zu vier bis fünf Millionen Flüchtlingen zu rechnen.

In der aktuellen Viertelstunde der Gemeinderatssitzung am 14.11.2024 waren nun wieder viele Anwohner da. Ihr Sprecher stellte dem 1. Bürgermeister Martin Schäfer erneut die Frage, ob denn der Gemeindeverwaltung inzwischen ein weiterer Antrag auf Flüchtlingsunterbringung auf dem Grundstück vorliege, sei es ein Antrag auf Nutzungsänderung oder ein Antrag auf Genehmigung zur Aufstellung von Wohncontainern, und was die Gemeinde zu tun gedenke, wenn ein solcher Antrag bei ihr eingeht oder ihr vom Landratsamt vorgelegt wird.

Bürgermeister Schäfer beantwortete die 1. Frage dahingehend, dass der Gemeindeverwaltung noch nichts Neues bekannt sei, und reichte die 2. Frage an den 2. Bürgermeister Runge zur Beantwortung weiter.

Martin Runge – er ist seit über 10 Jahren Vorsitzender des Bauausschusses – führte an dieser Stelle ohne große Worte zu der Sache selbst für alle Anwesenden klar und deutlich aus, und hier wird die Sache nun besonders interessant, es sei ihm die Wahrnehmung seiner Aufgaben als Bauausschussvorsitzender leider jüngst sehr stark beschnitten worden. Für Auskünfte zu Bauvorhaben und die Einsicht in Bauanträge und weitere Unterlagen solle er künftig zuerst die Zustimmung des 1. Bürgermeisters einholen. An Besprechungen zur Vorbereitung einer Bauausschusssitzung solle er neuerdings erst einen Tag vor Aussendung der Sitzungsladungen teilnehmen. Erst zu diesem Zeitpunkt erhalte er nun auch die Sitzungsvorlagen. Es sei offenbar nicht mehr gewünscht, dass er an der Erstellung der Sitzungsvorlagen mitwirke, wie es seit Jahren immer der Fall gewesen sei. Dazu sollte man wissen, dass Gröbenzell seit Anfang Oktober 2024 einen neuen Bauamtsleiter hat.  Runge vertiefte das Thema dann aber nicht weiter, sondern ließ es mit der Bemerkung ruhen, man werde sehen, wie man in Zukunft mit dieser neuen Aufstellung zurecht komme.

In der Bauausschusssitzung am 26.11.2024 stand in TOP 9 dann tatsächlich der aufgrund der Recherche der FFB-SZ schon bekannte Antrag auf Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Containeranlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Grundstück Alpenstraße 68 – 72 auf der Tagesordnung. Bürgermeister Schäfer nahm an dieser Bauausschussitzung ebenfalls Teil und setzte sich in der Runde genau gegenüber Martin Runge. Neben dem Sitzungsleiter Runge saßen der neue Bauamtsleiter Herr Schmidt und Herr Fiedler von der Bauverwaltung. Wieder waren auch zahlreiche Anwohner aus der Alpenstraße anwesend. Ihnen war die Beschlussvorlage zu der Sache bereits bekannt, da die Gemeinde diese immer am Mittag des Sitzungstages auf ihrer homepage online stellt.

Die wesentlichen Informationen aus der Beschlussvorlage waren, dass in den Containern 44 Flüchtlinge untergebracht werden sollen, weiter, dass ein Bebauungsplan, nämlich der B-Plan Nr. 46, für das Gebiet existiere und sich die planungsrechtliche Zulässigkeit mithin nach § 30 BauGB richte, dass es sich um ein Allgemeines Wohngebiet (WA) handle, dass die beantragte Geschossfläche von 1.025 qm sich innerhalb der zulässigen GF bewege, dass aber eine Baugrenzenüberschreitung vorliege. Es sei daher eine Befreiung nötig, die aber nicht erteilt werden könne, da die Grundzüge der Planung berührt würden.

In der Beschlussvorlage wird weiter auf Seite 2 zunächst zwar eingeräumt, dass in dem Gebiet früher schon Befreiungen von Baugrenzen erteilt worden seien, jedoch handle es sich bei den dadurch entstandenen Baukörpern in aller Regel um „körnungsmäßig durchaus passende Baukörper„. Dazu wird auf einen Schwarzplan Bezug genommen. Weiter wird ausgeführt, dass die laut Bebauungsplan höchstzulässige Geschossfläche nur dadurch eingehalten sei, dass die zulässigen Geschossflächen mehrerer Grundstücke verschmolzen werden (gemeint ist: Grundstücke wurden verschmolzen und dadurch die Geschossfläche unter das zulässige Maß gedrückt). Aufgrund dessen sei das gemeindliche Einvernehmen zu versagen.

In der Sitzung sprach zu diesem TOP 9 zunächst der Bauamtsleiter Herr Schmidt. Er führte zunächst aus, dass die Gemeinde kein Recht zu einer Verhinderungsplanung habe und steuerte damit relativ schnell auf den anschließenden Gedanken in der Beschlussvorlage S. 2 unten zu, in dem, „um dem Bauwerber jedoch einen Weg für eine eventuelle Nachverdichtung an dieser Stelle aufzuzeigen, auf die Möglichkeit zur Beantragung der Einleitung eines Bauleitplanverfahrens zur Änderung des Bebauungsplanes hingewiesen“ wird.

Viele Besucher der Sitzung waren spürbar erstaunt und fragten sich, worauf Herr Schmidt in der Sitzung (und vorher schon der Verfasser der Beschlussvorlage) damit wohl hinaus wollte.

Tatsächlich ist es so, dass Herr Schmidt in der Sitzung den Begriff der Verhinderungsplanung völlig falsch verwendet hat. Die Rechtsfigur „Verbot einer (reinen) Verhinderungsplanung“ besagt, dass eine Gemeinde mit einem Bebauungsplan positive Planungsziele verfolgen muss. Sie darf das Instrument eines Bebauungsplanes nicht dazu mißbrauchen, unter dem Vorwand positiver Planungsziele (die in Wirklichkeit gar nicht ernsthaft verfolgt werden) ein bestimmtes, an sich zulässiges Vorhaben zu torpedieren. Eine solche Scheinplanung ist nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB und damit unzulässig. Ein Beispiel aus der Rechtssprechung ist die Festsetzung von Flächen für die Landwirtschaft ohne dort tatsächlich landwirtschaftliche Nutzungen fördern zu wollen, wobei das verschleierte wahre Ziel ist, im Zuge einer geplanten größeren Wohnbebauung die betreffenden Flächen nur zunächst noch für eine Wohnbebauung sperren zu wollen; VGH München vom 3.4.2000 – 14 N 98.3624. Ob die Planungsabsicht der Kommune echt und ausreichend verfestigt ist, oder ob sie nur vorgeschoben ist, um ein anderes Ziel zu verschleiern, spielt oft bei der Beurteilung von gemeindlichen Veränderungsperren eine Rolle. Eine Veränderungssperre ist nur zur Sicherung einer im Mindestmaß bereits hinreichend konkreten und damit ernsthaften Planung zulässig.

Daraus sollte für jedermann einsichtig sein, dass der vor Herrn Schmidt in der Bauausschusssitzung am 26.11.2024 bemühte Begriff der Verhinderungsplanung völlig fehl am Platze war. Die Frage ist, worauf Herr Schmidt mit seinen Äußerungen hinaus wollte. Herr Schmidt pries die Vorzüge eines Bebauungsplansverfahrens mit dem Hinweis darauf, dass in einem solchen Verfahren eine breite Beteiligungsmöglichkeit für praktisch jedermann bestehen würde und die Gemeinde so in die Lage versetzt werde, eine optimale Abwägungsentscheidung zu treffen. Schön und gut, diese Vorzüge sind in ihrer Allgemeinheit völlig unbestritten. Die Frage ist allerdings im konkreten Fall, wo ja schon ein Bebauungsplan existiert, ob denn mit einer Überarbeitung nicht auf verschlungenen Pfaden den Wünschen des Investors die Tür geöffnet werden soll. Wieso soll eine Gemeinde in ein Änderungsverfahren oder in eine Neuaufstellung eines Bebauungsplanes eintreten, wenn sie eine in dieser Form unerwünschte Einrichtung an diesem Ort gar nicht haben will und wenn auch ohne Bebauungsplanänderung bereits gute planungsrechtliche Abwehrmöglichkeiten bestehen ?

Bei Martin Runge und etlichen Zuhörern in der Sitzung haben diese Ausführungen des neuen Bauamtsleiters zum Verbot der Verhinderungsplanung jedenfalls einige Verwunderung ausgelöst („worauf will er damit hinaus ?“).

Runge wies ferner darauf hin, dass für das fragliche Grundstück schon mehrfach Bauanträge eingereicht waren und im Bauausschuss behandelt worden sind. Einen Bauantrag (BA vom 27.7.2021, TOP 12, Wohnanlage mit 14 Wohneinheiten und TG) habe man abgelehnt, einem anderen für eine Wohnanlage mit noch 13 Wohnungen und einer anders situierten TG – BA vom 14.9.2021, TOP 9, – habe man zustimmen müssen. Die Kubatur jenes Bauvorhabens, dem man zugestimmt habe, sei um ein mehrfaches höher als die jetzt beantragte Containeranlage. Er befürchte daher, dass das der Gemeinde dann entgegen gehalten werde.

Runge hielt es weiter für einen großen Fehler, dass nicht nur er bei der Beschlussvorbereitung ausgeschlossen worden sei, sondern dass auch die hauseigene Juristin nicht herangezogen worden sei. Diese habe in den zurückliegenden Jahren in der Bauverwaltung der Gemeinde alle Ausnahmen und Befreiungen in diesem Gebiet bearbeitet und verfüge somit über eine hervorragende Sachkenntnis. Er befürchte, dass die Gemeinde mit dieser Beschlussvorlage leicht ausgekontert werden könne.

Runge argumentierte ferner, er sei kürzlich auf eine sehr junge Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gestoßen, in der dieser eine vom Landratsamt erteilte Baugenehmigung für eine größere Flüchtlingsunterkunft in Bad Tölz unmittelbar neben einer Wohnbebauung wegen Verstoßes gegen das Gebietsbewahrungsgebot in einem sog. Eilverfahren auf Eis gelegt habe (Fall Bad Tölz-Isarleiten, Entscheidung des 1. Senats vom 1.10.2024, Az. 1 CS 24.1449). In jenem Fall habe sich das Landratsamt nicht nur über den entgegenstehenden Willen eines Nachbarn, sondern auch der Gemeinde hinweggesetzt und deren nicht erteiltes Einvernehmen ersetzt. Der Fall dort zeige, dass man sich jeden Fall ganz genau anschauen müsse. Das sei eine auch für den Fall Alpenstraße in Gröbenzell gut passende Leitentscheidung. Runge kritisierte weiter, dass der eigentliche Anstoß, den das Vorhaben in seinen Augen und in denen der Anwohner errege, auf Seite 3 der Beschlussvorlage mit den Worten:


„Des Weiteren fällt ins Gewicht, dass der zu erwartende Nutzungsüberdruck (Plätze für insgesamt 98 Flüchtlinge) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Kippen der gewachsenen stadtsoziologischen Strukturen führt“.

nur sehr schwach zum Ausdruck gebracht sei.

Runge beantragte daher in der Sitzung, dass der Ausschuss die in der Sitzung anwesende hauseigene Juristin der Gemeinde Frau Kulac zu den inmitten stehenden Fragen, insbesondere zum Thema „Gebietsverträglichkeit“ und der Bedeutung der Entscheidung des BayVGH sogleich in der Sitzung anhört. Dies lehnte jedoch die Mehrheit (Stimmen der Fraktionen der CSU – außer Toni Kammerl, der UWG und der FW) postwendend ab.

Mit Blick auf den „Isarleiten“- Beschluss des BayVGH vom 1.10.2024, den die Verwaltung offenbar nicht kannte (oder nicht kennen wollte), beantragte Runge, den Beschluss jetzt für das Vorhaben in der Alpenstraße wenigstens noch dahingend zu ergänzen, dass die Gemeinde die vorgesehene Gemeinschaftsunterkunft im Hinblick auf ihre Größe und Dominanz im zu beurteilenden Baugebiet für nicht zulässig hält, und einen Hinweis auf den Beschluss des BayVGH vom 1.10.2024 aufzunehmen. Mit diesem Zusatz waren dann auch der neue Bauamtsleiter Herr Schmidt und die Mehrheit des Bauausschusses einverstanden, wobei Herr Schmidt sich allerdings eine süffisante Bemerkung nicht verkneifen konnte: „Sie können die Ergänzungen von Dr. Runge gerne aufnehmen. Viel hilft viel“. Damit machte er sich über Runge lustig, was ja doch einiges über den Stil im Gemeinderat aussagt. Offenbar wollte Herr Schmidt dem anwesenden Bürgermeister und der Mehrheit im Bauausschuss gefallen.

Man kann nur spekulieren, was der Grund für diesen Affront gegenüber Runge ist. Es enstand der Eindruck eines „shoot out“, mit dem Schäfer sich nun seines langjährigen getreuen Gefährten Martin Runge entledigen will.

Ist es eine Reaktion auf mißliebige kritische Nachfragen und Recherchen von Runge zu diversen konkreten Vorgängen in der Bauverwaltung oder wird Runge inzwischen einfach allgemein als zu unberechenbar und lästig empfunden und von wem geht diese Entmachtung Runges aus, vom Bürgermeister oder von dem neuen Bauamtsleiter ? Es stellen sich Fragen: erstens, wenn Schäfer Runge nicht mehr als Leiter des Bauausschusses haben will, müsste er das sagen und sollte er auch Gründe nennen. Das tat Schäfer aber nicht oder jedenfalls bisher nur mit ganz schwachen Argumenten. Zwar verbat er sich gegenüber Runge in der Bauausschusssitzung, Mitarbeiter des Bauamts „so“ zu kritisieren. Die Kritik von Runge an den Beschlussvorlage zu den TOPs 7 (Umbau und Nutzungsänderung einer Halle sowie Aufstellen von Containern auf dem Grundstück Am Weidegrund 1″ und TOP 9 („Flüchtlingscontainer an der Alpenstraße“), war aber sowohl vom Stil des Vortrags wie auch vom Inhalt her nicht zu beanstanden. Als Schäfer gegenüber Runge das Wort an sich riß, um sich angeblich schützend vor seine Mitarbeiter im Bauamt zu stellen, wirkte das gekünstelt. Runge hat weder den Bauamtsleiter Herrn Schmidt noch dessen Mitarbeiter Herrn Fiedler unsachlich angegriffen, sondern seine Kritikpunkte mit Zitaten z. B. aus der Entscheidung des BayVGH ruhig und sachlich belegt.

Irgend jemand muss den Bauausschuss leiten. Es kann dies nur der Erste Bürgermeister oder einer seiner Stellvertreter, oder ein anderes gewähltes Mitglied aus dem Gemeinderat sein, § 7 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung. Es ist jedoch niemand weit und breit zu sehen, der auch nur annähernd die Fachkompetenz und das Wissen hat, das sich Martin Runge im Laufe der Jahre erarbeitet hat. Wäre es eine Möglichkeit, dass Schäfer selbst die Leitung des Bauausschusses übernimmt ? Bei der Agenda 21 hat Schäfer vor einigen Jahren ja auch die Leitung kommissarisch übernommen, nachdem sich das Sprecherteam 2019 des Agenda 21-Kreises wegen Differenzen mit der Leitung des Arbeitskreises „Siedlungsökologie“ nicht mehr zur Wiederwahl stellte.

Dagegen spricht jedoch, dass Schäfer teils offen, teils einigermaßen verdeckt mindestens in Gröbenzell und Olching auf dem Grundstücksmarkt mit allerlei Käufen, Beteiligungen und Projekten doch immer wieder hervor tritt und daher ständig mit Interessenkollissionen zu rechnen ist. Es hat manchmal den Anschein, dass niemand aus dem Kreis der etablierten Parteien in Gröbenzell wirklich bereit ist, an vorderster Front als Bürgermeister Verantwortung zu übernehmen, oder sich nach einer geeigneten Bewerberin oder einem geeigneten Bewerber umzusehen. Dafür nimmt man es lieber hin, dass Schäfer sich nicht offen als befangen meldet, wenn ein Tagesordnungspunkt aufgerufen wird, bei dem er befangen und daher nach dem Gesetz von der Beratung und Beschlussfassung ausgeschlossen ist, sondern z. B. auf die Toilette geht. Damit erspart sich Schäfer die Prozedur, sich als befangen „outen“ zu müssen, und der Gemeinderat sich selber, die vorgebrachten Gründe als Ausschlussgrund anerkennen zu müssen. Die Standards von an sich richtigen Regeln werden so nach und nach gesenkt. Das ist keine gute Perspektive.

Bei der Bauausschussitzung am 26.11.2024 spielte in TOP 7 (Genehmigung auch zum Aufstellen von zwei Containern im Gewerbegebiet, aber dieses Mal nicht für Flüchtlinge !) wiederum ein Gerichtsurteil eine Rolle, und zwar ein erst in diesem Jahr ergangenes Urteil des Verwaltungsgerichts München zu der Nachbarklage eines Anwohners im Gewerbegebiet „Am Weidegrund“. Dieser Nachbar fürchtete, durch den vom Landratsamt genehmigten Umbau einer Halle für Gastronomie, Sport und Kultur werde der Lärm und der Verkehr vor seiner Haustür deutlich zunehmen, und erhob daher Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung. Wie das Tagblatt am 26.1. 2024 berichtete, wies der Richter die Klage mit einem für alle Beteiligten offenbar sehr überraschenden Begründungselement ab, dass nämlich eine Ergänzung des Bebauungsplans 8 „Gewerbegebiet“ aus dem Jahr 1983 nicht vom damals amtierenden Bürgermeister (Dr. Rieder) oder seinem Stellvertreter, sondern von einem Mitarbeiter des gemeindlichen Bauamts unterschrieben ist. Offenbar sah das Gericht bei dieser B-Planergänzung einen sogenannten Ausfertigungsmangel, und folgerte es daraus, dass nicht nur die Ergänzung, sondern der ganze Bebauungsplan, auch der ursprüngliche von 1983, nichtig ist. Denn dem Artikel ist zu entnehmen, dass der Richter das Vorhaben nach § 34 BauGB, also nach der Umgebungsbebauung, und nicht nach dem Bebauungsplan Nr. 8 „Gewerbegebiet“ beurteilte.

Der Journalist des Tagblatt fragte im Anschluss den Bürgermeister der Gemeinde Martin Schäfer, der als Antragssteller der angefochtenen Baugenehmigung an dem Verfahren beteiligt war (Erläuterung: der Nachbar muss in solchen Fällen gegen den Freistaat Bayern klagen, weil dieser die Baugenehmigung erteilt hat, und nicht gegen den Bauherrn/Antragsteller; dieser wird aber als Beteiligter zu dem Verfahren hinzugezogen). Schäfer antwortete, er sei erleichtert über das Urteil, denn nun könne er mit dem Umbau beginnen. Weiter gefragt, ob es noch mehr solcher kurioser Fälle gäbe, wo im Rathaus mit den Unterschriften auf Bebauungsplänen geschlampt worden sei, antwortete Schäfer, das wisse er nicht, er vermute aber: „der eine oder andere, aber nicht die Masse„. Auch das ist dem Bericht zu entnehmen, siehe:

merkur-online vom 26.1.2024: „Gröbenzeller scheitert mit Klage gegen hippe Halle: Schlamperei im Rathaus fliegt vor Gericht auf“ von Susanne Schwind

https://www.merkur.de/lokales/fuerstenfeldbruck/groebenzell-klage-halle-weidegrund-schaefer-schlamperei-92797317.html

In der Sitzung des Bauausschusses vom 26.11.2024 entwickelte sich zu der rechtlichen Folge dieses Anfang Januar vom Verwaltungsgericht München festgestellten Mangels des Bebauungsplanes „Gewerbegebiet“ ein kurzes Wortgefecht zwischen dem 1. Bürgermeister Martin Schäfer und dem 2. Bürgermeister Martin Runge. Runge wandte sich nämlich dagegen, dass in der Beschlussvorlage für diesen TOP (7) bei den drei möglichen Gebietskategorien die erste Kategorie „Bebauungsplan“ ausgefüllt sei („Nr. 8 vom 1.2.1979„) und nicht die zweite Kategorie „§ 34 BauGB unbeplanter Innenbereich“ angekreuzt sei. Runge argumentierte, dass das ja falsch sei, denn es habe ja in dem o.g. Zeitungsbericht gestanden, dass der Richter in jenem Verfahren den Bebauungsplan Nr. 8 für nichtig erachtet und die Sache nach § 34 BauGB beurteilt habe. Schäfer verteidigte daraufhin die Einordnung des Bebauungsplanes Nr. 8 durch die Bauverwaltung in der Beschlussvorlage in die Kategorie „Bebauungsplan“. Schäfer argumentierte, dass der Richter den Bebauungsplan in jenem Verfahren ja nicht für nichtig erklärt habe. Es sei seiner Meinung nach unzulässig, Erkenntnisse oder richterliche Feststellungen aus dem Verfahren, in dem es um eine Baugenehmigung für den ihm gehörenden Grundtstücksteil und um seinen Bauantrag ging, auf den benachbarten Teil des Grundstücks zu übertragen (ergänze: der ihm nicht gehört und für jemand anderer nun einen Bauantrag gestellt habe).

Faktencheck:

Da der Mangel des Bebauungsplanes Nr. 8, den der Richter in dem Verfahren über die von Schäfer für seinen Grundstücksteil beantragte Baugenehmigung entdeckt hat, von der Art her (falsche Unterschrift unter dem Bebauungsplan) nicht auf einen Teil des Bebauungsplanes begrenzbar ist, sondern denklogisch den ganzen Bebauungsplan betrifft, ist die Einlassung des Bürgermeisters nur die halbe Wahrheit.

Schäfer hat insofern ein Fünkchen recht, als das Verfahren, in dem der Richter den Bebbauungsplan Nr. 8 für unwirksam hielt, kein sogenanntes Normenkontrollverfahren nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) war. In einem Normenkontrollverfahren wird direkt und unmittelbar und nicht nur bei Gelegenheit ( = inzident ) geprüft, ob eine Norm, z.B. also ein Bebauungsplan, gegen das einschlägige Recht verstößt und damit ungültig ist. Wenn das Gericht zur Überzeugung kommt, dass die Norm ungültig ist, erklärt es sie für unwirksam. Diese Entscheidung ist dann allgemeinverbindlich und wird genauso wie eine Rechtsvorschrift veröffentlicht, § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Das Verfahren wegen der Baugenehmigung, die Schäfer für seinen Teil der Halle beantragt und vom Landratsamt erhalten hatte, war keine Normenkontrolle, sondern ein Prozeß wegen einer sogenannten Anfechtungsklage. Also haben wir eine andere Verfahrensart, für die wieder eigene Regeln gelten, und auch einen Rechtszug mit einer ersten Instanz beim Verwaltungsgericht. Bei einer Anfechtungsklage geht es darum , ob ein Verwaltungsakt, also z. B. eine Baugenehmigung, rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dafür ist zwingende Vorfrage, in welche Gebietskategorie das Vorhaben einzuordnen ist. Für die Einordnung gibt es drei Möglichkeiten: a) der Bereich eines sog. qualifizierten Bebauungsplanes, b) der sog. Innenbereich (kein qualifizierter Bebauungsplan, aber im Zusammenhang bebauter Ortsteile) und c) der sog. Außenbereich (Rest). Je nachdem sind die Maßstäbe unterschiedlich. Kommt es für die Entscheidung auf eine Festsetzung in einem Bebauungsplan an, muss das Gericht inzident (heißt als Vorfrage) prüfen, ob der Bebauungsplan und damit die Festsetzung, auf die es ankommt, gültig oder nichtig ist. Manche Fehler müssen innerhalb einer Frist gerügt werden, um beachtlich zu bleiben. Manche Fehler können durch ein ergänzendes Verfahren geheilt werden.

Man ahnt schon: die sog. Fehlerlehre bei Bebauungsplänen ist kompliziert. Es gibt eine Unmenge von Rechtsprechung zu allen möglichen Konstellationen.

Hinzu kommt, dass ein Teil der rechtlichen Anforderungen, nämlich die Vorschriften für die Ausfertigung und für die Bekanntmachung eines Bebauungsplans inklusive teilweise der Fehlerfolge, nicht im Bundes-, sondern im Landesrecht geregelt ist.

Da das Recht der Bebauungspläne kompliziert ist und oft, zum Teil auch grundlegend geändert worden ist, z. B. 1998 mit der Umstellung vom BBauG auf das BauGB, und weil viele Beteiligte unter einen Hut zu bekommen sind (Bundes- und Landesverwaltung, Kommunen als Träger der Planungshoheit, Planbetroffene und Nachbarn, Träger öffentlicher Belange), erfordert das Aufstellen von Bebauungsplänen und der Umgang mit Bebauungsplänen, sei es als Kommune, als Verwaltungsbehörde oder als Gericht, ein hohes Maß an fachlichem Wissen und persönliche Integrität.

Um es auf den Punkt zu bringen: die Antwort, die Schäfer im Januar 2024 dem Tagblatt gab, war a) in hohem Maß von Eigeninteresse geleitet (er freut sich, dass er jetzt mit dem Umbau beginnen kann) und b) fachlich eine sehr sehr grobe Vereinfachung. Genauso war es im Prinzip mit dem Auftritt von Schäfer in der Bauausschussitzung vom 26.11.2024, als er so tat, als würde es ihm darum gehen, Mitarbeiter vor unberechtigter Kritik Runges zu schützen (und als hätte er selbst mit der Sache nichts zu tun).

Wenn eine Gemeinde von einem Verwaltungsgerichtsurteil erfährt, in dem einer ihrer Bebauungspläne wegen eines Rechtsfehlers nicht angewendet worden ist, kann sie nicht einfach die Hände in den Schoß legen und den Herrgott einen guten Mann sein lassen. Dies ergibt sich allein schon aufgrund der Überlegung, dass das Wesen eines jeden Gesetzes und einer jeden untergesetztlichen Norm ist, Geltung, d.h. Befolgung zu beanspruchen. Eine Norm, die keine Geltung beansprucht, ist ein lächerliches Nichts. Wenn der Normgeber oder der Vertreter einer Normgeberin, also zum Beispiel ein Bürgermeister, erfährt, dass ein Gericht meinte, eine Norm seiner Kommune aus diesem oder jenem Grund nicht anwenden zu müssen, sollte das dem Bürgermeister Anlaß geben, der Sache nachzugehen und zu fragen, ob dem Geltungsanspruch der Norm tatsächlich etwas entgegensteht und ob daher weitere Fälle dieser Art zu befürchten sind, sei es, dass ein Richter die Norm auch in einem anderen Fall nicht anwendet oder dass die Normadressaten (Bürger) die Anerkennung der Norm verweigern.

Im Fall eines Bebauungsplanes, der einen schwerwiegenden, zu seiner Nichtigkeit führenden Verstoß gegen eine Vorschrift z. B. des BauGB oder der BauNVO aufweist, kann der Normgeber auf verschiedene Weise reagieren:

Erstens kann er gemäß § 214 Abs. 4 BauGB ein ergänzendes Verfahren durchführen, den Fehler in diesem Verfahren beheben und den Bebauungsplan entweder ex nunc oder sogar rückwirkend in Kraft setzen. Dieser Abs. 4 erfasst alle nach § 214 BauGB oder nach Landesrecht beachtlichen materiellen (BVerwGE 110, 193/202) und formellen Fehler, soweit nicht die Behebbarkeit in einem solchen Verfahren wegen der besonderen Schwere der Mängel ausgeschlossen ist (BVerwGE 119, 54; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. A., 2016, § 214, Rz. 23 m. w. N.). Bis zur Behebung bleibt der Bebauungsplan nichtig und – man höre – darf er auch nicht vollzogen werden (BVerwG NVwZ 2006, 329 zu § 47 Abs. 5, S. 4 VwGO a. F.).

Das „man höre“ resultiert daraus, dass man ja gemeinhin sagt, die Gemeinde, die den Bebauungsplan erlassen hat, und andere Behördern, insbesondere die Bauaufsichtsbehörde, die über Baugenehmigungsanträge zu entscheiden hat, hätten kein Verwerfungsrecht, dürften einen Bebauungsplan also nicht einfach als nichtig ansehen und als unbeachtlich behandeln (BayVGH, Beschluss vom 28.7.2020 – 15 ZB 20.470). Abgesehen von der gerichtlichen Nichtigkeitserklärung nach § 47 VwGO kann ein Bebauungsplan, so sagt man, nur in dem für die Aufhebung von Bebauungsplänen geltenden Verfahren aufgehoben werden, auch wenn es „nur“ darum geht, den Anschein der Rechtsgeltung zu beseitigen (BVerwG, U. v. 21.11.1986 – 4 C 22.83 – BVerwGE 75, 142 – juris, 2. Leitsatz). Und § 1 Abs. 8 BauGB verweist für die Aufhebung von Bebauungsplänen eben auf die Regeln für die Aufstellung von Bebauungsplänen.

Bracher in Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Auflage, 2014, Rz. 1169, weist im Kapitel „Inzidentkontrolle durch Verwaltungsbehörden“ völlig richtig darauf hin, dass, wenn Gemeinden und Verwaltungsbehörden gehindert sind, die Unwirksamkeit von Bebauungsplänen verbindlich festzustellen oder allein durch Rücknahme einer Genehmigung herbeizuführen (früher mußten Bebauungspläne noch genehmigt werden), deswegen nicht automatisch feststehe, dass sie ungültige Bebauungspläne anzuwenden hätten. § 47 VwGO begründe ein richterliches Monopol nur für die allgemeinverbindliche Feststellung der Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes. Durch den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3 GG, sprich die Bindung der Behörden an Gesetz und Recht, seien die Behörden daran gehindert, unwirksame, d.h. als unwirksam erkannte Bebauungspläne anzuwenden, man möchte ergänzen: einfach so anzuwenden, als ob alles in Ordnung wäre.

Das heißt, eine Gemeinde muss sich Gedanken machen,

  • ob sie für den ganz oder in Teilen als unwirksam erkannten Bebauungsplan ein ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB durchführt
  • oder ob es den Bebauungsplan in dem vom BauGB vorgegebenen Verfahren ersatzlos aufhebt – dann wären künftige Anträge auf Baugenehmigung nach § 34 oder nach § 35 BauGB zu beurteilen,
  • oder ob es mit der Aufhebung gleich gem. §§ 2ff. BauGB eine Neuaufstellung in die Wege leitet.

Die Gemeinde Gröbenzell hat 2015/2016 schon einmal einmal einen Anlauf unternommen, um der Problematik Herr zu werden. 2015 hat man in der Gemeinde bei der Bearbeitung von Bauanträgen festgestellt, dass Bebauungspläne teilweise nicht richtig bekanntgemacht oder ausgefertigt sind, weil nicht vom Bürgermeister oder seinem Stellvertreter, sondern nur von einem Mitarbeiter der Verwaltung unterzeichnet. Damals wurde auch das Landratsamt befragt, wie damit umzugehen sei. Das Landratsamt wies darauf hin, dass die Rechtsprechung der Senate des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an die Ausfertigung von Bebauungsplänen unterschiedlich sei, dass die Anforderungen zu streng seien und den praktischen Bedürfnissen zuwiderlaufen würden. Schlußendlich wies das Landratsamt auf die Möglichkeit des § 214 BauGB (Durchführung eines ergänzenden Verfahrens) hin, heißt auf die Möglichkeit, die Ausfertigung nachzuholen und den Bebauungsplan nochmals bekannt zu machen.

Soweit bekannt wurde jedoch bisher in keinem einzigen Fall die Ausfertigung eines fehlerhaft ausgefertigten Bebauungsplans hier in Gröbenzell nachgeholt.

Die Sache mündete in einen gemeinsamen Antrag des 2. Bürgermeisters Dr. Runge und des damaligen Gemeinderats und Planungsreferenten (und Betreiber dieser website) Johann G. Böhmer mit Datum 26.10.2015 an die Gemeinde Gröbenzell mit dem Betreff: „Fehler im Gröbenzeller Ortsrecht aufklären und heilen – fehlerhafte Widmungen korrigieren, versäumte Verbriefungen nachholen, korrekte Ausfertigungen und neuerliche Bekanntmachungen von mit Verfahrensfehlern behafteten Satzungen und Verordnungen“. Der Antrag war ausführlich begründet und endete mit dem Antrag, dass der Gemeinderat beschließen möge, dass die Verwaltung beauftragt wird, das Gröbenzeller Ortsrecht (Satzungen und Verordnungen) auf Verfahrensmängel, welche nicht als unbeachtlich einzustufen sind, zu überprüfen und dem ersten Bürgermeister und dem Gemeinderat eine entsprechende Aufstellung vorzulegen.

Es ist nicht feststellbar, dass dieser Antrag jemals in einer öffentlichen Gemeinderratssitzung behandelt worden wäre oder dass die Verwaltung von sich aus die Problematik hinsichtlich der hier in erster Linie interessierenden Bebauungspläne bearbeitet und dem Gemeinderat etwas vorgelegt hätte.

Das Heikle an der Sache ist, dass es bei einem Grundstück einen enormen Wertunterschied machen kann, ob ein Bebauungsplan nichtig ist oder nicht, dass sich das oft aber erst bei einem Gerichtsverfahren über einen Bauantrag im Rahmen einer sog. Inzidentkontrolle herausstellt. Z. B. weiß man, dass Flächen, in denen Wohnungsbau zulässig ist, hochwertiger sind als Flächen für Gewerbe. Deshalb war die Entdeckung des Richters in dem Verwaltungsrechtsstreit über die Baugenehmigung für Martin Schäfer, dass der Bebauungsplan Nr. 8 wegen eines Ausfertigungsfehlers unwirksam ist, für Schäfer u. U. sogar ein doppelter Glücksfall, nämlich dann, wenn die dadurch eröffnete Beurteilung nach § 34 BauGB der Nachbarklage den Boden entzogen hat. Auf jeden Fall aber ist das Grundstück durch die Entdeckung dieses Fehlers zumindest tendenziell mehr wert, weil die Nutzung nun nicht mehr bloß auf Gewerbe beschränkt ist.

Mit seinem Hinweis in der Bauausschusssitzung vom 26.11.2024 in TOP 7, der Bebauungsplan Nr. 8 sei ja doch unwirksam, hat Runge so gesehen wahrscheinlich bei Schäfer genau den wunden Punkt getroffen, sonst hätte Schäfer nicht gleich so empfindlich reagiert. Bei der Behandlung des TOP 9 (Flüchtlingscontainer in der Alpenstraße) versicherte der neue Bauamtsleiter, dass die Verwaltung den Antrag nach bestem Wissen und Gewissen geprüft habe und in Anbetracht auch von 30 Jahren Berufserfahrung (in seiner Person) keine weitere Expertise nötig gehabt habe – womit er Martin Runge und die von Runge ins Spiel gebrachte Gemeindejuristin Frau Kulac meinte. Man kann daher nur hoffen, dass es nicht so geht wie beim Bebauungsplan 8, dass nicht wieder ein Richter einen Ausfertigungsmangel entdeckt, der dann dem Grundstückseigentümer größere Spielräume eröffnet, als es der Gemeinde und den auf einen Bebauungsplan vertrauenden Nachbarn recht ist. Vielleicht war aber gerade das der Grund, warum der neue Bauamtsleiter der Neuaufstellung eines Bebauungsplanes in der Sitzung des Bauausschusses vom 26.11.2024 das Wort redete.

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