Roma locuta, causa finita ? Allerdings: Gröbenzell ist nicht Rom !
„Ein Bürgermeister muss das aushalten“ überschrieb das FFB-Tagblatt anfangs des Jahres den Abdruck eines Interviews von Guido Verstegen mit Bürgermeister Martin Schäfer, nachdem Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II gegen Schäfer wegen des Verdachts der Untreue eingestellt worden waren. In einem erklärenden Kasten zu dem Interview legte Guido Verstegen dar, nachdem er zu den Gründen bei der Staatsanwaltschaft recherchiert hatte, wie er die tragenden Gründe verstanden hat. Der zentrale Satz in dem Kasten lautet: „somit gebe es hier keine Hinweise auf ein Fehlverhalten“. Vor dem Hintergrund, dass Unsicherheit geherrscht habe über die richtige Sachbehandlung, sei unter Beachtung von „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten – für eine Anklageerhebung kein Raum gewesen. Dementsprechend lautete die Überschrift im Tagblatt in diesem Kasten: „Staatsanwaltschaft: kein Fehlverhalten feststellbar“.
FFB-Tagblatt vom 5./6./7.1.2024: „Ein Bürgermeister muss das aushalten“:
Vor ein paar Tagen nun erfuhr man allerdings aus einem Artikel von Gerhard Eisenkolb in der FFB-SZ, dass die Sache alles andere als erledigt ist. In dem Artikel steht, dass die Gemeinde Gröbenzell von der Rechtsanwaltskanzlei, die Schäfer zur Abwehr von Kritik an seiner Amtsführung beauftragt hatte, die Rückzahlung von Geldern verlangt, die aus der Gemeindekasse an diese Anwälte bezahlt worden sind. Die kurios klingende Überschrift zu diesem Artikel lautet: „Kanzlei des Bürgermeisters verklagt die Gemeinde“. In der Unterzeile erläutert die FFB-SZ: „In Gröbenzell soll Martin Schäfer Rechnungen in einem Rechtsstreit mit Geld aus der kommunalen Kasse bezahlt haben“. Man liest, dass der Bürgermeister Gerhard Eisenkolb an die Pressestelle der Gemeinde verwiesen habe und dass die Pressestelle sich auf den Hinweis beschränkt habe, man werde zu einem laufenden Verfahren keine Auskünfte erteilen.
FFB-SZ vom 25./26.5.2024: „Kanzlei des Bürgermeisters verklagt die Gemeinde“
Man erfährt aus dem Bericht der FFB-SZ, dass es offenbar in nichtöffentlicher Sitzung gefasste Beschlüsse des Gemeinderats gibt, von der Anwaltskanzlei Schäfers die Rückzahlung der an die Anwälte Schäfers auf wessen Veranlassung auch immer ausbezahlten Gelder zu fordern. Offenbar hat die Gemeinde die Rückzahlungsforderung an die Anwälte bereits zugestellt. Denn man erfährt in dem SZ-Artikel weiter, dass die Kanzlei Schäfers sich gegen die Rückzahlungsforderung mit einer Feststellungsklage wehrt. Der Streit um die Zuständigkeit für die Bezahlung dieser Anwaltsrechnungen ist also schon bei Gericht anhängig. Der Dritte Bürgermeister Gregor von Uckermann (SPD) erwartet nach dem Bericht, dass die Gemeinde bei ihrer Linie bleiben und gegen die proaktiv erhobene negative Feststellungsklage der Anwälte Schäfers (Kernaussage: „wir schulden nichts“) Widerklage erheben wird.
Das aber heißt nichts anderes, als dass die Erledigung, die das Tagblatt mit dem Bericht über den Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft und dem Abdruck des Interviews mit Schäfer anfangs des Jahres suggerierte, tatsächlich nicht eingetreten ist.
Wie soll der normale Leser oder Bürger damit umgehen ? Er wird sich wahrscheinlich denken: wieder ein Fall mehr, an dem man sieht, dass man der Presse auch nichts glauben kann. Es kann ja nur eines richtig sein: entweder hat sich das Tagblatt mit der Bewertung der Sache in dem erklärenden Kasten getäuscht oder der Bericht Eisenkolbs in der FFB-SZ vom 25./26.5.2024 ist grundlegend falsch. Beides zusammen geht nicht.
Ein Außenstehender fragt sich unwillkürlich, was denn in der Gemeinde Gröbenzell los ist. Die Reputation der Gemeinde leidet schon jetzt. Wie wird das erst werden, wenn sich die juristische Klärung der Frage, wer recht hat, der Gemeinderat oder die Anwälte des Bürgermeisters, nun die nächsten vielleicht zwei Jahre hinzieht ? Man muss kein Schwarzseher sein, wenn man befürchtet, dass eine anhaltende Auseinandersetzung über die hier inmitten stehende Frage, wer diese Anwaltskosten tragen muss, der Gemeinde Gröbenzell sehr schadet.
Es handelt sich um einen Gordischen Knoten. Ein solcher kann bekanntlich nur mit einem Hieb durchschlagen werden. Es ist nichts mit „Rom (sprich: die Staatsanwaltschaft) hat (ergänze: mit dem Einstellungsbeschluss) gesprochen, ….. basta, damit ist die Sache beendet ! “ – denn das heißt „Roma locuta, causa finita“.
Bleibt die Frage: wie ist also der Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft zu verstehen ?
Die Staatsanwaltschaft referiert in dem Einstellungsbeschluss u.a. die Haltung der Rechtsaufsicht beim Landratsamt Fürstenfeldbruck. Dieses habe die Rechtslage zunächst auch unzutreffend eingeschätzt (also ebenso wie der Bürgermeister) und zunächst eine Amtsbezogenheit der Sache bejaht. Erst später habe das Landratsamt angegeben, dass es sich um eine persönliche Verpflichtung handle und eine Kostenübernahme durch die Gemeinde (schlechthin) nicht möglich sei. Mit Blick darauf meint die Staatsanwaltschaft, Bürgermeister Schäfer habe das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit seines Tuns womöglich gefehlt (ergänze: als er die ihn persönlich betreffende Anwaltsrechnung aus der Gemeindekasse bezahlen ließ). Das führe juristisch zu einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum, dies mit der Folge, dass der Untreuetatbestand nicht erfüllt ist, und nicht bloß zu einem sog. Verbotsirrtum, bei dem man noch prüfen müsste, ob er vermeidbar war oder nicht.
Dazu ergänzend: wenn Schäfer sich die Bezahlung dieser Anwaltsrechnungen vom Gemeinderat hätte absegnen lassen (dieses Unterlassen wurde ihm im Einstellungsbeschluss angekreidet), hätte Schäfer riskiert, dass ihm im Gemeinderat gesagt worden wäre, was dann auch die Staatsanwaltschaft im Einstellungsbeschluss sagte, dass er diese Kosten vom rein Rechtlichen her privat tragen muss und dass daran kein Weg vorbeiführt.
Faktencheck interpretiert die Sache so, dass die Staatsanwaltschaft wie vorher auch schon die Rechtsaufsicht im Landratsamt den Ball bewusst und gezielt an die Hauptbeteiligten, also an den Bürgermeister und an den Gemeinderat als dem Hauptorgan des Dienstherrn des Bürgermeisters, zurückgespielt hat, und zwar nicht zu dem Zwecke, der Gemeinde die Möglichkeit zu geben, die Sache mit einem Beschluss zur nachträglichen Kostenübernahme nachträglich zu heilen – diese Möglichkeit wurde im Einstellungsbeschluss ausdrücklich als nicht gangbar angesehen -, sondern der Ball wurde nach Meinung von Faktencheck zurückgespielt, um dem Bürgermeister die Gelegenheit zu geben, durch Bezahlung der Kosten aus der eigenen Tasche die Sache in eigener Initiative letztendlich doch noch rechtskonform aus der Welt zu schaffen. Gleichzeitig wollte man dem Gemeinderat die Möglichkeit geben, auf den Bürgermeister entsprechend einzuwirken. Dahinter steht der in einem demokratischen Staat absolut richtige Gedanke, mit Eingriffen in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung sehr, sehr vorsichtig umzugehen.
Dieser Weg dürfte jetzt allerdings durch die von den Anwälten Schäfers gegen die Gemeinde erhobene Feststellungsklage nach Meinung von Faktencheck fürs Erste verbaut sein.
Foto: pixabay. Danke an Stevebidmead