Straßenausbaubeiträge: Wort gehalten oder: gut Ding will Weile haben!

In Blog by Johann G. Böhmer

Die Kommission für den Härtefallausgleich „Straßenausbaugebühren“ hat in diesen Tagen nun die ersten Rückzahlungsbescheide verschickt und auch bereits die entsprechenden Zahlungen veranlasst.

Rückblick:

Die Aufhebung der landesrechtlichen Rechtsgrundlage im Kommunalen Abgabengesetz (KAG) für den Erlass (und den Beibehalt) von kommunalen Straßenausbaubeitragssatzungen (STRABS) war Teil des Wahlprogramms der FREIEN WÄHLER für die Landtagswahl 2018. Vorangegangen war ein erfolgloser Antrag der FREIEN WÄHLER im Bayer. Landtag im Jahr 2017, die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen auch in Bayern abzuschaffen, nachdem das in Berlin schon 2012 geschehen war.  Die FREIEN WÄHLER unterstützten damit den Zusammenschluss von ca. 120 Bürgerinitiativen in Bayern, der sich 2013 gegründet hatte. Ab 2016 wurden Unterschriften für eine Petition zur Abschaffung der STRABS gesammelt und Gerichtsverfahren gegen die Heranziehung zu solchen Beiträgen unterstützt. Ab Januar 2018 sammelte der Zusammenschluss der Bürgerinitiativen unterstützt von den FREIEN WÄHLERN Unterschriften für den Start eines Volksbegehrens. Bereits im März 2018 war die notwendige Mindestzahl von 25.000 Unterschriften erreicht.

Am 25.1.2018 bat der Bayerische Landtag die Staatsregierung, bis zum Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens, mit dem das KAG geändert werden sollte, die Kommunen darauf hinzuweisen, keine Beitragsbescheide mehr zu verschicken. Im Mai 2018 änderte der Bayerische Landtag das KAG. Er schaffte die Straßenausbaubeiträge mit Wirkung ab dem 1.1.2018 ab und führte außerdem eine Härtefallregelung für Erhebungen nach dem 1.1.2014 (Art. 19 a KAG) ein. Mit der Härtefallverordnung vom 5.6.2019 folgte die Einsetzung einer Kommission zur Umsetzung der Härtefallregelung (betreffend Beiträge, die in der Zeit zwischen dem 1.1.2014 und 31.12.2017 erhoben worden sind).

Sicher hat in Gröbenzell eine Vielzahl von Anliegern der Park-, Herbst- oder Winterstrasse von der Möglichkeit der Antragstellung nach der Härtefallregelung Gebrauch gemacht. Diese Anlieger werden voraussichtlich auch in den Genuss von Rückzahlungen kommen.

Aus Sicht der Anlieger in den genannten Gröbenzeller Straßen ging es bei der Sanierung ihrer Straßen zunächst darum, die wegen des hohen Grundwassers angeblich alternativlose Verwendung der kaum erprobten teuren Kunststoffrinne „Rainclean“ zu verhindern. Das gelang 2009 – 2011 durch den Nachweis, dass die Verwendung von simplen, viel billigeren Rasengittersteinen in den Seitenstreifen den Anforderungen genauso genügt. Die Anlieger erzwangen dadurch eine Umplanung, durch die sich auch die Gemeinde für die drei Straßen sicher einen nennenswerten Betrag ersparte. Der Verteilungsschlüssel war 45 % für die Gemeinde und 55 % für die Anlieger, dies bei umlagefähigen Gesamtkosten von 951.000 € für die Herbststraße (korrigiert dann auf 901.000 €), 241.000 € für den ausgebauten Abschnitt der Winterstraße und geschätzt 660.000 € für die Parkstraße.

Dass die FREIEN WÄHLER in Bayern die zahlreichen Streitfälle in ganz Bayern zum Anlass machen würden, im Vorfeld der Landtagswahl 2018 zusammen mit diesen Bürgerinitiativen eine Volksabstimmung zur Abschaffung der STRABS auf den Weg zu bringen, war 2008, als die Querelen in Gröbenzell wegen dieser Ausbaumaßnahme anfingen, noch nicht absehbar.

Eine Tücke blieb durch das Abräumen der STRABS allerdings unberührt: das ist die Erhebung von Erschließungsbeiträgen, die von den Kommunen auf einer bundesrechtlichen Rechtsgrundlage, dem BauGB, erhoben werden (die Straßenausbaubeiträge sind dagegen Landesrecht). Der Unterschied zwischen Erschließungsbeiträgen und Straßenausbaubeiträgen ist, dass erstere für die erstmalige Herstellung erhoben werden, zweitere für eine Verbesserung oder einen Zweitausbau (erneute Herstellung). Tückisch wird die Sache hier dann, wenn eine Erschließungsanlage über viele Jahre, teils Jahrzehnte einfach nicht fertig gestellt wird, weil z. B. die Randsteine nicht gesetzt werden oder die Beleuchtung lange nur provisorisch verbleibt. Dann beginnt der Beitrag nämlich nicht fällig zu werden und die Festsetzung kann folglich auch nicht verjähren. Vollendet eine Kommune dann die Maßnahme, können völlig unerwartet enorme Erschließungsbeiträge fällig werden und die Anlieger fallen aus allen Wolken. Die Presse hat über haarsträubende Fälle mehrfach berichtet.

SZ vom 27.5.2020 (zu einem Fall in Freising):

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/freising/freising-strassen-erschliessungsbeitraege-anwohner-1.4920126

Hier behalf sich der Gesetzgeber damit, die Dauer bis zur endgültigen Herstellung auf wenigstens 25 Jahre zu begrenzen. Das dürfte in den allermeisten Fällen fürs Erste eine Abhilfe gebracht haben.

In Gröbenzell hat der 2019 verstorbene Gemeinderat Michael Leonbacher der FREIEN WÄHLER den betroffenen Anliegern lange Zeit als Einziger im Gemeinderat Gehör geschenkt und sich dafür eingesetzt, dass die angebliche Alternativlosigkeit der Rainclean-Rinne nochmals auf den Prüfstand gestellt wird. Erst danach bewegten sich nach und nach auch Gemeinderäte aus anderen Fraktionen.

Konsequenz:

Die Abwehr ungerechtfertigter Belastungen oder unsinniger Maßnahmen ist möglich. Es bedarf aber einer enormen Beharrlichkeit und viel Überzeugungsarbeit.

Foto: Johann G. Böhmer