Gymnasiumserweiterung: die Kuh ist vom Eis !

In Blog by Johann G. Böhmer

Am 28.9.2023 stimmte der Ausschuss im Kreistag Fürstenfeldbruck für Kultur, Freizeit und Sport einstimmig der von der Gemeinde Gröbenzell als Ausweg vorgeschlagenen Variante 4 zu, die von der Gemeinde im Juni zusätzlich geforderten Radlabstellplätze vor dem Gymnasium auf den Bus-Parkplätzen am Freizeitheim unterzubringen. Der Gemeinderat hatte diese von der Gemeindespitze und der Verwaltung zusammen mit Mitarbeitern des Landratsamtes unter Hochdruck erarbeitete Lösung in seiner Sitzung vom 14.9.2023 gut geheißen.

Der Stress war dadurch entstanden, dass der Bürgermeister nach Übermittlung eines gemeindlichen Eckdaten- und Bebauungsplanaufstellungsbeschlusses vom 28.7.2022 an das Landratsamt mit eindeutig 650 Fahrradabstellplätzen den Bedarf vor Ort nochmals hatte nachzählen lassen und dass man daraus nun einen höheren Bedarf ableitete, dies aber dann nicht klar kommunizierte. Aus den Sitzungsprotokollen des Kreistags ergibt sich nur, dass Kreisrat Schäfer in der Sitzung am 20.10.2022 Gegenrede zu einem Vertagungsantrag des Kreisrates Thurner erhoben hat, der beantragt hatte, den TOP „Fortschreibung des Grundsatzbeschlusses“ auf die nächste Kreistagssitzung zu vertagen, da nach Rede zuvor von Kreisrat Stangl offenbar noch zuviele Punkte offen seien. Stangl hatte nach dem Protokoll zu schließen neben anderen Punkten bemängelt, dass mit Gröbenzell bezüglich der oberirdischen Fahrradstellplätze noch keine Gespräche stattgefunden hätten. Der Vertagungsantrag von Thurner wurde mit 46 zu 8 Stimmen angenommen und demgemäß die Sache in der Kreistagssitzung am 15.12.2022 in TOP 15 behandelt. In der Beschlußvorlage dazu vom 24.11.2022 heißt es auf Seite 5, dass alle gemäß Satzung (gemeint ist die mit Wirkung ab dem 22.9.2022 verschärfte gemeindliche Fahrradabstellsatzung mit einem Schlüssel nun von 1 Stellplatz pro 2 Schüler statt vorher 3 Schüler) erforderlichen 650 Fahrradabstellplätze oberirdisch platziert werden und dass mit der Gemeinde am 9.11.2022 die in Frage kommenden Bereiche abgestimmt worden seien. Nach dem Protokoll zu der Kreistagssitzung vom 15.12.2022 teilte Frau Stannecker von der Kreisverwaltung mit, dass nach Vereinbarung mit der Gemeinde Gröbenzell 650 Stellplätze errichtet werden müssen. Die genaue Ausführung zeige sich in der weiteren Planung. Ein Teil solle auf jeden Fall überdacht werden. Der Beschlussvorschlag war, den Grundsatzbeschluss vom 19.12.2019 fortzuschreiben und die Planung wie dargestellt umzusetzen. Laut Protokoll haben diesem Vorschlag alle 54 anwesenden Kreiräte zugestimmt, darunter auch Bürgermeister Schäfer (UBV) und die weiteren Gröbenzeller Kreisräte Runge und Holmer (GRÜNE). Das kann nicht anders gedeutet werden, als dass das Thema `“Zahl der Fahrradabstellplätze“ somit erledigt war. Man muss unterstellen, dass auf diesen Arbeitsauftrag hin die Bauverwaltung im Landratsamt zusammen mit dem beauftragten Planungsbüro daran ging, die für die Einreichung eines Baugenehmigungsantrags erforderliche Planung auszuarbeiten und das Projekt mit einem Bauzeitenplan und den weiter notwendigen Abstimmungen etc. voranzutreiben.

Offensichtlich hatten es sich Schäfer und Runge aber dann wieder anders überlegt. Bekanntlich ist der Gemeinderat in Gröbenzell, angeführt und angestachelt vom ersten und zweiten Bürgermeister in einer viel beachteten Sitzung am 29.6.2023, also 1/2 Jahr später, dann entgegen der Beschlussvorlage der Gröbenzeller Verwaltung, die wenig überraschend noch den vom Gemeinderat ein Jahr zuvor gefaßten Eckdatenbeschluss als maßgeblich ansah, auf die Idee gekommen, nun 1.000 Radlstellplätze für erforderlich zu halten (und dem Bauherrn Landkreis FFB aufs Auge zu drücken), wobei niemand wußte, wo und wie diese untergebracht werden können. Laut Protokoll stimmte der Gemeinderat in jener Sitzung der Planung für die Gemeinde als Erbbaurechtsgeberin „unter der Maßgabe der Überarbeitung der Planung zur Unterbringung von 1.000 Fahrradstellplätzen vorerst nicht zu„.

Allein schon die Formulierung macht stutzig. Eine einfachere und klarere Formulierung wäre gewesen, wann man gesagt hätte, dass man der vom Bauherrn vorgelegten Planung nicht zustimmt, jedoch eine Zustimmung in Aussicht stellt, wenn die Planung von 650 auf 1.000 Radlstellplätze erweitert wird.

Ein elementarer, auch in unserer Rechtskultur noch gültiger römisch-rechtlicher Grundsatz lautet: „ultra posse nemo obligatur“: niemand kann zu etwas verpflichtet werden, was er von vorneherein (auf der Hand liegend) nicht leisten kann. Ein weiterer überkommener römischer-rechtlicher Grundsatz ist das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium). Weil auch die Initiatoren dieser nachgeschobenen Mehrforderung nach erheblich mehr Fahrradstellplätzen wußten, dass die dem Landkreis qua Erbbaurecht der Gemeinde zur Verfügung stehende Fläche für die Erfüllung dieser Forderung nicht ausreichte, war klar, dass die Gemeinde dem Landkreis nun irgendwie aus dieser Patsche helfen mußte, also eine Zusatzfläche anbieten mußte, wollte sie sich nicht dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens aussetzen.

Aufgrund eines Antrags der SPD-Fraktion vom 6.7.2023, den Billigungsbeschluss umgehend nachzuholen, kam die Angelegenheit am 27.7.2023 erneut auf die Tagesordnung. Dort scheiterte die Nachholung des Billigungsbeschlusses auf Basis von 650 Radlstellplätzen jedoch wegen eines Abstimmungspattes von 13:13. Immerhin wurde jedoch ein Antrag von Gemeinderat Coy (FDP) mit 17:9 Stimmen angenommen, die Forderung auf 860 Fahrradstellplätze zu senken. Der Antrag Coy nahm dabei den Vorschlag von Landrat Karmasin in einem Schreiben vom 18.7.2023 an den 1. Bürgermeister Schäfer auf. Bürgermeister Schäfer beschwichtigte in der Sitzung vom 27.7.2023, das Projekt werde durch die höhere Zahl der Fahrradstellplätze in keiner Weise aufgehalten (siehe FFB-SZ vom 8.8.2023 in dem Bericht „Rästelraten um Abstimmung zum Gymnasium„: „Bereits in der Sitzung hatte Bürgermeister Schäfer – UWG – erklärt, nach seiner Einschätzung werde die veränderte Zahl der Fahrradabstellplätze das Bauvorhaben nicht verzögern“).

Das war allerdings auch noch aus einem anderen Grund als dem der fehlenden Fläche nicht richtig. Denn der Gemeinderat hatte in der Sitzung am 29.6.2023 entgegen der Empfehlung in der Beschlußvorlage der Verwaltung noch keinen Billigungsbeschluss zum Bebauungsplan gefasst, sondern einen solchen im Fall einer Vermehrung der Radlstellplätze nur in Aussicht gestellt. Da ein Billigungsbeschluss eine Norm auf den Weg bringen soll, verträgt ein Billigungsbeschluß keine derartige Unsicherheit (wieder ein elementarer Rechtsgrundsatz !). Somit lag auf der Hand, dass das Landratsamt und die Kreisorgane definitiv noch nicht weitermachen konnten. Mit Sicherheit war das in der Sitzung auch dem Bürgermeister und den anwesenden Mitgliedern der Bauverwaltung, und wohl auch den meisten Mitgliedern des Gemeinderats klar. Zur Verdeutlichung: man kann nicht einerseits Andreas Scheuer schelten, weil er die Verträge mit den Mautbetreibern schon vor dem EuGH-Urteil vom Juni 2019 unterzeichnet hat, andererseits aber hier in diesem Fall vom Landkreis verlangen, dass er den Antrag auf Baugenehmigung einreicht (das ist jetzt der nächste Schritt), obwohl es auf dem Papier noch keine Lösung und erst recht noch keine Planungssicherheit gibt.

Scheinbar wußte nach der Sitzung auch das Landratsamt den genauen Wortlaut des am 29.6.2023 in Gröbenzell gefassten Beschlusses nicht, siehe den oben schon genannten Artikel der FFB-SZ vom 8.8.2023, dessen Verfasserin Frau Lindenbach offenbar nachgefragt hat. Diese Verwirrung sowie ein zwischenzeitlicher Beschluss des zuständigen Ausschusses des Landkreises vom 3.7.2023, grundsätzlich an der bisherigen Planung festzuhalten, führte zu einem neuen Antrag in Gröbenzell, dieses Mal der Fraktionen von CSU und SPD gemeinsam, datierend vom 20.8.2023, mit dem das offensichtlich beim Landkreis als Bauherrn beschädigte Vertrauen wieder hergestellt und dessen Planung endlich zugestimmt werden sollte.

Dieser gemeinsame Antrag von CSU und SPD wurde als Tagesordnungspunkt 20 auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung vom 14.9.2023 gesetzt. Unter Nr. 7 wurde die Erweiterung des Gymnasiums schon in einem vorangehendem Punkt erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Dort wurde beschlossen, wie oben bereits erwähnt, der vom Landratsamt favorisierten Variante 4 mit insgesamt 860 Radlstellplätzen unter Dazunahme der Busparkplätze für diesen Zweck den Vorzug zu geben und dies dem Landkreis mitzuteilen, damit dieser das durch den zuständigen Ausschuss absegnen lassen kann. So ist es nun am 28.9.2023 auch geschehen. Durch den einstimmigen Beschluss im Gemeinderat am 14.9.2023 zu TOP 7 wurde eine Behandlung des gemeinsamen Antrags vom 20.9.2023 von CSU und SPD unter TOP 20 überflüssig.

Es darf bezweifelt werden, ob die Kuh jetzt wirklich vom Eis gebracht worden wäre, wenn die Fraktionen von SPD und CSU mit diesen beiden Anträgen seit der Gemeinderatssitzung von Ende Juni nicht derart Druck gemacht hätten. Und es fragt, sich, ob hinter der auffälligen Umständlichkeit nicht eine (provokative) Absicht steckt – in Bayern sagt man „tratzen“.

Von außen ist der Eindruck entstanden, dass es in der herrschenden politischen Konstellation in Gröbenzell vor allem darum geht, einem so empfundenen Gegner, in diesem Fall dem aus einem anderen politischen Lager, nämlich der CSU, stammenden Landrat, koste es, was es wolle, die Stirn zu bieten, auch wenn dieser gar nichts Böses will. Die eigentlich Betroffenen, hier die Gröbenzeller Schulfamilie, können nur ohnmächtig zuschauen. Solche Schaukämpfe haben wir hier allerdings schon öfter gehabt.

In der Sitzung des Kreisausschusses resümierte Landrat Karmasin: „das hätte man auch schneller haben können„, ein sicherer Frieden sei jedoch besser als ein unsicherer Sieg. Als nächstes steht nun voraussichtlich in der Sitzung am 26.10.2023 der Billigungsschluß der Gemeinde für den Bebauungsplan und ein Beschluss zur Bereitstellung der Zusatzfläche an. Anschließend wird der Landkreis den Antrag auf Baugenehmigung einreichen.

Was das ganze Spielchen gekostet hat (und noch kosten wird) ? god only knows.

Foto: pexels artnet house