Zum Gedenken am 5.9. und 6.9.2022 an die Opfer des Olympiamassakers aus Anlaß des 50. Jahrestages

In Blog by Johann G. Böhmer

Am Montag, den 5.9.2022, hat auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck in einem großen, extra aufgebauten Zelt eine große Gedenkfeier mit über 880 Gästen stattgefunden, bei der Bundespräsident Steinmeier die anwesenden Opferfamilien um Vergebung für ein dreifaches Versagen bat –  dafür, dass an die Möglichkeit eines Terroranschlages nicht ernsthaft gedacht wurde und dass – trotz gewisser Anzeichen – daher keine Vorsorge für so einen Fall getroffen worden ist, zweitens dass nach der Geiselnahme der israelischen Sportler bei dem Versuch der Befreiung so viele Pannen passiert sind, und drittens, wie mit den Angehörigen der Opfer von Staats wegen umgegangen worden ist.

Zu dem dritten Punkt gehört, dass Akten für die Opferfamilien über Jahrzehnte nicht zugänglich waren. Die Presse hat, als für die Gedenkfeier ein Eklat drohte, in den letzten Monaten über immer wieder neue, teils haarsträubende Details berichtet. Als ein solches Detail blieb hängen, dass ein Mitarbeiter des Staatsarchivs München den Angehörigen der ermordeten Israelis in eigener Initiative unter Verschluss gehaltene Akten über die Vorgänge am Tag dieses Terroranschlags zugänglich gemacht hat und damit die Position der bundesdeutschen Behörden durchkreuzte, es gäbe keine weiteren Akten mehr als die, die den Anwälten der Opferfamilien schon zugänglich gemacht waren. Als weiteres verstörendes Detail blieb hängen, dass zwischen Vertretern der Bundesrepublik Deutschland und Vertretern der Palästinensischen Befreiungsfront (PLO) wegen der drei überlebenden Terroristen, die in deutschen Gefängnissen saßen, ein Deal verabredet und durchgeführt wurde, der zum Ziel hatte, diese drei Terroristen quasi abzuschieben, und dass man dazu einvernehmlich eine Flugzeugentführung inszenierte, durch die die Terroristen in das befreundete, von Gaddafi beherrschte Libyen gebracht wurden, wo sie als Helden groß gefeiert wurden. Für Angehörige von Opfern ist das Erfahrenmüssen eines solchen verdeckten Deals natürlich sehr schmerzlich. Man kann sich unschwer vorstellen, dass Bürokratien, die über Opferentschädigungen entscheiden sollen, gar nicht in der Lage sind, einen echten Ausgleich zu finden, wenn von höherer Seite aus bestimmt ist, mit bestimmten heiklen Tatsachen hinter dem Berg zu halten. Diese Erfahrung, dass Wahrheit nicht verordnet werden kann, muss gerade auch ein anderer mächtiger Mann machen, dessen Rechnung scheinbar nicht aufgeht, weil er den Lebenswillen und Freiheitsdrang von Menschen, die ihm egal sind, unterschätzt hat. Das ist tröstlich.

Faktencheck hat vor einiger Zeit einen Beitrag zur whistleblower-Richtlinie ins Netz gestellt. Der tapfere Mitarbeiter des Münchner Staatsarchivs, der durch sein eigenmächtiges Handeln im Fall des Olympia-Massakers einer Lüge den Boden entzogen hat, hat geholfen, weitere Qualen und weiteres Leid von schon sehr schwer geprüften Menschen abzuwenden. Das war mutig und verdient unseren Respekt.

Einen Tag später, am 6.9.2022 veranstaltete der Historische Verein Fürstenfeldbruck im Tower des Fliegerhorstes eine weitere Gedenkfeier mit einer Lesung aus Verhörprotokollen von Beteiligten und Zeugen des damaligen Geschehens. Dabei ergab sich am Rande die Gelegenheit zu einem regen Gespräch mit dem Gröbenzeller Bildhauer Hannes L. Götz, der in den 1990er Jahren das Mahnmal geschaffen hat, das unmittelbar neben dem Haupttor des Fliegerhorstes, aber außerhalb steht, und am 5.9.1999, dem 27. Jahrestag, eingeweiht worden ist. Götz ist sich sicher, dass es ohne diese vom Landkreis Fürstenfeldbruck vor 25 Jahren initiierte Erinnerungsstätte das Gedenken jetzt aus Anlass des 50. Jahrestages so nicht gegeben hätte. Hannes Götz hat erzählt, wie er bei seiner Arbeit in die Biografie eines jeden einzelnen Opfers geradezu hinein geschlüpft ist. Er kann auch sagen, wieviel tausend Hammerschläge er für die Bearbeitung des Granits aufgewendet hat.

Vor der Einrichtung dieser Erinnerungsstätte in Fürstenfeldbruck, dem Ort, wo die meisten Opfer dieses Anschlags starben, gab es nur eine Gedenktafel an dem Haus Conolly-Straße 31 mit den Namen der 11 ermordeten Mitglieder der israelischen Olympiamannschaft und seit dem 27.9.1995 an der Hanns-Braun-Brücke im Olympiapark den Gedenkbalken des Bildhauers Fritz König mit einer Tafel davor auf dem Boden. Erst nach der Gedenkstätte in Fürstenfeldbruck kam es aus Anlass des 45. Jahrestages zu der Einrichtung einer Erinnerungsstätte im Olympiapark neben dem Olympiastadion, die am 6.9.2017 der Öffentlichkeit übergeben worden ist.

Am 5.9.2022 wurde nun auch ein digitaler Erinnerungsort freigeschaltet:

https://www.erinnerungsort-fuerstenfeldbruck1972.de/

Derzeit sind nur nach Voranmeldung Besichtigungen im ehemaligen Fliegerhorst möglich, da das Gebiet nach wie vor eine militärische Sperrzone ist. Das langfristige Ziel des Landkreises ist es jedoch, wenn die militärischen Restriktionen weggefallen sind, auch den Tower des Flugplatzes als Gedenkstätte zur Verfügung gestellt zu bekommen, weil dieser mit dem Vorfeld, wo die beiden Hubschrauber mit den Terroristen und den Geiseln gelandet sind, der Ort war, wo das Geiseldrama so tragisch endete.

Foto: Johann G. Böhmer (Aufnahme vom 6.9.2022 um ca. 21 Uhr bei stockdunkler Nacht neben dem Tower auf das Rollfeld davor, wo die Hubschrauber genau 50 Jahre zuvor standen).

Literatur:

Der Erinnerungsort Olympia-Attentat 1972 in Fürstenfeldbruck, Symposium im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck. Landkreis Fürstenfeldbruck 25.9.2015, 142 S., ISBN 978-3-932368-27-1

Roman Deininger/Uwe Ritzer, Die Spiele des Jahrhunderts – Olympia 1972, der Terror und das neue Deutschland, 527 S., München 2021

5. September 1972 – 5. September 2022 erinnern – gedenken – hoffen, 66 S., Landkreis Fürstenfeldbruck 2022