Jahresrückblick 2022:
ein schmutziger Krieg, aber auch viele mutige und hilfsbereite Menschen
Januar
Gleich zu Jahresbeginn schlägt die Meldung auf, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof ein Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg aus dem Jahr 2019 bestätigt hat, dass der langjährige, seit 2013 pensionierte Generalkonservator Prof. Erich Johannes Greipl seinem früheren Dienstherrn Freistaat Bayern wegen einer grob fahrlässigen Dienstpflichtverletzung 736.000 € Schadensersatz zu leisten hat. Greipl hatte als Leiter des Landesamts für Denkmalschutz (BLfD) für das 2006 begonnene Projekt „Nachqualifikation und Digitalisierung der Denkmäler in Bayern“ (NQ), für das sehr viele Mitarbeiter nötig waren, serienweise Kettenwerkverträge abgeschlossen. 2007 hatte ein Mitarbeiter vor dem Arbeitsgericht München geklagt, dass die wiederholte Verlängerung eines solchen Werkvertrages aus seinem Beschäftigungsverhältnis ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gemacht habe und 2010 in erster Instanz, sowie 2011 beim Landesarbeitsgericht (LAG) und 2013 beim Bundesarbeitsgericht (BAG) recht bekommen. Der Freistaat Bayern hatte daher für dieses Beschäftigungsverhältnis nachträglich Sozialabgaben abzuführen. Bei Prüfungen in den Jahren 2014 – 2016 stellt sich die Sozialverwaltung auf den Standpunkt, dass derselbe Sachverhalt noch bei vielen anderen Werkverträgen des BLfD vorliege, und forderte vom Freistaat insgesamt rund 1,7 Mio. € für etwa 90 solcher Verträge nach.
Nach Zahlung dieser 1,7 Mio. € forderte der Freistaat in 2018, also rund fünf Jahre nach der Pensionierung Greipls, knapp die Hälfte davon von Prof. Greipl wegen grob fahrlässiger bzw. sogar vorsätzlicher Verletzung seiner beamtenrechtlichen Dienstpflicht, seinen Dienstherrn nicht zu schädigen, als Schadensersatz. Den Pflichtverstoß und das Verschulden sahen der Freistaat und ihm folgend die Verwaltungsgerichte darin, dass Greipl nach dem Arbeitsgerichtsurteil von 2010 nach einer anwaltlichen Beratung nur kosmetische Korrekturen an den vom ihm weiter ausgestellten Werkverträgen vorgenommen habe, obwohl ihn der Justitiar des BLfD eindringlich davor gewarnt hatte, überhaupt mit dieser Praxis fortzufahren. Greipl argumentierte, es komme nach dem BAG-Urteil bei jedem Beschäftigungsverhältnis unbedingt auch auf die tatsächliche Durchführung an, und stellte sein Arbeiten mit Kettenwerkverträgen erst nach Erlass des Urteils des BAG (25.9.2013, Az. 10 AZR 282/12), also kurz vor seiner Pensionierung (November 2013) ein. Das Festhalten Greipls an seiner Praxis der Kettenwerkverträge hatte die insoweit positive Folge, dass die Nachqualifikation und die Bereitstellung für jedermann online im Bayernatlas für die Baudenkmäler bis Ende 2013 und für die Bodendenkmäler bis Ende 2014 abgeschlossen war. Als Greipl nicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten wollte, klagte der Freistaat zunächst auf Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach und stellte später, als die Höhe der Nachforderung der Sozialversicherungsträger feststand, auf einen bezifferten Antrag um.
Der Fall schwelt schon lange, aber jetzt ist der Bock so richtig fett. Greipl war Spitzenbeamter des Freistaates Bayern und durch die Medien bekannt als jemand, der keine Auseinandersetzung scheute und kein Blatt vor den Mund nahm. Bei der Rettung des Gutes Kaltenbrunn am Tegernsee, wo die Gemeinde zuerst den Wünschen des Investors Schörghuber folgen wollte, schlug er sich z. B. auf die Seite einer Bürgerinitiative.
https://www.merkur.de/lokales/miesbach/tegernseer-tal/analyse-affaere-kaltenbrunn-1605620.html
In einem Zeitungsinterview aus Anlass seiner Pensionierung hatte Greipl die seit Jahren schon gehenden massiven Mittelkürzungen für die Denkmalpflege beklagt und die Gefahren drastisch geschildert.
Augsburger Allgemeine, 29.11.2013: Für die Denkmalpflege fehlen Milliarden
Am 24.1.2022 findet in Berlin die erste Aktion von Klima-Klebern statt. Bis Mitte November erfasst die Berliner Polizei 258 Vorgänge. In München entwickelt es sich nicht sehr viel anders.
https://www.bz-berlin.de/berlin/die-grosse-karte-des-klebe-aergers-in-berlin
Februar
Vom 4.2. bis 20.2.2022 finden die Olympischen Winterspiele in Peking statt. Die Winterspiele finden damit das erste Mal zweimal hintereinander in fernost-asiatischen Städten statt (2018 waren die Winterspiele in Pyeonchang). Deutschland landet im Medaillenspiegel hinter Norwegen, aber vor China auf dem 2. Platz mit 12 Gold, 10 Silber- und 5 Bronzemedaillen. Die Sprecherin der chinesischen Olympia-Organisatoren Yan Jiarong sorgt am 17. Februar für einen Eklat mit ihrer Zurechtweisung ausländischer Medienvertreter bei einer Pressekonferenz des IOC. Sie äußert mehrfach ungefragt politische Stellungnahmen im Sinne von Chinas Regierung. Sie bezeichnet Berichte über Umerziehungslager für Uiguren als „Lügen“. Als der IOC-Sprecher Mark Adams zur Teilnahme von Taiwan an der Eröffnungsfeier befragt wird, ergreift sie ungefragt das Wort: „Ich möchte betonen, dass es nur ein China in der Welt gibt. Taiwan nimmt hier als Teil von China teil und ist ein untrennbarer Bestandteil von China“.
Am 22.2. verkündet die Bundesregierung wegen des Grenzaufmarsches russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine, dass das Genehmigungsverfahren für das lange schön geredete Projekt Nord-Stream 2 vorläufig ausgesetzt wird. Der russische Gaskonzern Gazprom sagt, die Pipeline sei schon seit Herbst 2021 fertig.
Am 24.2.2022 fallen auf Befehl des russischen Präsidenten Wladimir Putin russische Truppen in der Ukraine ein. Damit eskaliert der seit 2014 (Besetzung der Krim) schwelende russisch-ukrainische Krieg. Bereits ab April 2021 wurden Konzentrationen russischer Truppen in den Grenzregionen zur Ukraine beobachtet. Drei Tage vor der Invasion hatte Russland die Unabhängigkeit der unter russischem Einfluss stehenden „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk anerkannt. Die angebliche Bedrohung durch die Ukraine dient als Vorwand für den Großangriff auf die übrige Ukraine.
März
Die Generalversammlung der UN verurteilt die russische Invasion mit überwältigender Mehrheit. Viele Staaten beschließen harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Gleichzeitig beginnen westliche Staaten und westliche Nachbarn der Ukraine, die Ukraine mit Waffenlieferungen zu unterstützen. Der Botschafter der Ukraine in Deutschland Melnyk mahnt von Deutschland mit teils harschen Worten schnellere und effektivere Waffenlieferungen an.
Bei den Haushaltsvorberatungen in Gröbenzell wird bekannt, dass die Einwohnerzahl Gröbenzells im Vorjahr um 200 wieder deutlich unter 20.000 gefallen ist. Das wirkt sich bei den Zuwendungen des Freistaats Bayern negativ aus. Es zeichnet sich auch aus anderen Gründen (v.a. als Folge von Corona) ab, dass das Geld knapp werden wird, sodass z. B. Projekte wie die Sanierung oder Neubau des Feuerwehrhauses oder die Sanierung von Straßen weiter werden warten müssen.
April
Der Arbeitskreis Asyl Gröbenzell berichtet, dass in Gröbenzell seit Kriegsbeginn in der Ukraine in privaten Unterkünften 80 Personen aufgenommen worden sind (38 Frauen, 7 Männer und 35 Kinder). Die Gemeinde berichtet von aktuell etwa 79 Helfer*innen und Wohnungsgeber*innen in Gröbenzell.
Das Thema „Ersatzfreiheitsstrafen für Schwarzfahrer“ kocht wieder hoch. Der Münchner Merkur berichtet, dass die Ampelkoalition „Schwarzfahren“ entkriminalisieren und damit auch die Gerichte entlasten will, dass aber die Verkehrsunternehmen diese Pläne kritisch sehen. Der Münchner Merkur berichtet von krassen Fällen. In einem Fall stellte sich in der Gerichtsverhandlung heraus, dass ein Wiederholungstäter, der ein Ticket für 1,70 € nicht gelöst hatte, den Überblick verloren und nicht verstanden hat, dass wegen erneuten Schwarzfahrens schon wieder ein Verfahren gegen ihn begonnen hat. Eine junge mittellose Frau wurde schon sieben Mal beim Schwarzfahren erwischt, bei der letzten Fahrt (zum Arzt) hätte das Ticket 6,70 € gekostet. Sie steht bei den Verkehrsbetrieben jetzt mit 1.200 € in der Kreide. Eine junge alleinerziehende ungarische Mutter braucht vor Gericht einen Dolmetscher, lebt am Existenzminimum, kann die Strafe nicht zahlen und soll deshalb eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen.
Jan Böhmermann hatte zuvor in einem Beitrag seines Magazins Royal am 3.12.2021 mit seinem Projekt „Freiheitsfonds“ die schwache Logik des Umgangs mit Schwarzfahrern bloßgestellt. Böhmermann überredete 28 Redaktionsmitglieder, für das Jahr 2022 auf ihre Jobtickets zu verzichten. Dadurch kamen 10.080 € zusammen. Mit diesem Geld wurden sieben verurteilten Schwarzfahrern die auferlegten Strafen und wohl auch die Schulden bei den Verkehrsbetrieben bezahlt. Die Initiative konnte binnen fünf Tagen weitere Gelder einsammeln. Insgesamt konnten dank der in dieser kurzen Zeit gesammelten Spenden 69.722 € investiert werden, um Haftstrafen von 58 Schwarzfahrern abzuwenden. Damit wurden 4.850 Hafttage abgelöst, also insgesamt mehr als 13 Jahre Haft. Böhmermann rechnete in der Sendung vor, dass man dem Staat damit 727.000 € gespart habe, weil das Land Berlin nach eigener Angabe für jeden Hafttag 150 € ausgeben muss. Am 7.12.2021 hatte „Freiheitsfonds“ eine erneute Befreiung aus der Haft mit dem Satz: getwittert „120 € gezahlt, dem Staat 1.200 € gespart“.
In Anspielung darauf, dass der Schwarzfahrerparagraph 1935 als Straftat in das StGB aufgenommen wurde, brandmarkt Böhmermann den § 265a StGB („Erschleichen von Leistungen“) weiter als unnötigste Straftat seit 1935. Nach Angabe von „Freiheitsfonds“ sind von dem Thema „Ersatzfreiheitsstrafe“ überwiegend Arbeitslose (87 %), Menschen ohne festen Wohnsitz (15 %) und solche mit Suizidgefährung (15 %) betroffen.
Mai
Noch immer gelten einschneidende Corona-Beschränkungen. Z. B. können Besuche im neuen Rathaus Gröbenzell immer noch nur nach vorheriger Terminvereinbarung stattfinden. Mitte Mai beginnt in Gröbenzell das Stadtradeln 2022.
Juni
Die Einführung des 9 €-Tickets für den Zeitraum von Juni bis August 2022 bringt einen bundesweiten Boom für Fahrten im öffentlichen Nahverkehr und Regionalverkehr.
Die Einschränkungen wegen Corona lockern sich langsam. Die VHS München West veranstaltet eine Führung im ehemaligen Eisenbahntriebwerk in Aubing. Es nehmen einige ehemalige Eisenbahnbedienstete teil, die Fotos mitbringen, mit denen sie zeigen, wie die riesige Werkhalle ausgesehen hat, als darin noch Waggons repariert wurden. Das ganze Gelände hat vor Jahren eine Immobilienentwicklungsgesellschaft von der Deutschen Bahn gekauft. Sie hat die denkmalgeschützten, aus ziegelrotem Backstein gemauerten Verwaltungsgebäude und Hallen schon aus Zeiten der Reichsbahn wieder instandgesetzt und mit neuem Leben gefüllt, unter anderem mit einer prächtig besuchten boulder-Welt zum Freizeitklettern in der Halle. Zwischen dem Altbestand hat sie einige neue Hallen und Gebäude gebaut, in die allerhand Firmen und Freiberufler, darunter auch start-ups, eingezogen sind.
Juli
Im Gröbenzeller Heimat- und Torfmuseum wird am 17.7. die Ausstellung: „Albert Meyer und seine Kunst (1881 – 1948)“ eröffnet. Zur Ausstellung gibt es ein Begleitbuch von Ruth und Christian Besimo, Kurt Lehnstaedt und Johann G. Böhmer: „Albert Meyer, Spurensuche vom Moos bis Murnau“, siehe Faktencheck vom August 2022.
Die Gemeinde feiert das 70-jährige Jubiläum der Gemeindeerhebung. Gleichzeitig begehen die Gröbenhüter am Rathausvorplatz mit Bewirtung, Musik und Vorträgen zusätzlich zur Ausstellungseröffnung im Torfmuseum ihr 25-jähriges Jubiläum, das auch von einer Oldtimerschau umrahmt wird. Am 22.7. gibt es einen Tag der offenen Tür im neuen Rathaus, der auch wegen des herrlichen Wetters als voller Erfolg verbucht werden kann.
Ebenfalls Mitte Juli feiert der Schützenverein Almrausch seinen 113. Geburtstag mit einem dreitägigen Bürgerschießen.
Ex-Bundeskanzler Schröder besucht Wladimir Putin in Moskau, kann offenbar wegen des Ukrainekriegs auch mit ihm sprechen, erreicht aber nichts. Es waren Forderungen nach einem Parteiausschluß laut geworden und, dass man ihm das als Ex-Kanzler zustehende Büro nicht mehr finanzieren solle.
In der Sache des 2017 illegal abgerissenen denkmalgeschützten Uhrmacherhäusls in Obergiesing spricht der Strafrichter des Amtsgerichts München in seiner Urteilbegründung von haarsträubenden Lügen des Eigentümers des Uhrmacherhäusls und des von ihm beauftragten Baggerfahrers, die sich auf Missverständnisse hinausreden wollen. Er spricht beide schuldig wegen einer gemeinschaftlichen Sachbeschädigung, den Eigentümer zusätzlich wegen Nötigung zum Schaden des nach einer Kündigung mit rüden Methoden (Wasser abdrehen, Strom abstellen und Haustür aushängen) zum Auszug gezwungenen Mieters und den Baggerfahrer außerdem wegen Beihilfe. Der Eigentümer wird zu einer Geldstrafe von 130.000 €, der Baggerfahrer zu einer solchen von 40.000 € verurteilt.
Ziemlich genau ein Jahr zuvor hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zur Erleichterung von OB Reiter entscheiden, dass der Eigentümer das Uhrmacherhäusl wiederaufbauen muss. So streng hat bisher wohl noch kein deutsches Gericht in so einem Fall geurteilt.
Der Sommer bricht Hitzekorde. Über 40 Grad auch bei uns. Europa erlebt die schlimmste Dürre seit 500 Jahren. Der Rhein führt sowenig Wasser, dass zeitweise die Schifffahrt eingestellt werden muss. Das spornt die Klimaaktivisten mit ihren Klebeaktionen zusätzlich an.
August
Der Gröbenbach, der Starzelbach und andere Bäche der Umgebung führen abschnittsweise überhaupt kein Wasser mehr. Schuld ist das anhaltend trockene Wetter, schuld ist auch, dass im Winter in den Bergen wenig Schnee gefallen war. Daher ist der Grundwasserspiegel tief und der Boden unterhalb der Krume sehr trocken.
In der Allinger Chronik von 1896 von Matthias Zeichfießl finden sich zu den Jahren 1893 und 1903 die folgenden Einträge:
„1893: Der Sommer sehr trocken. Der Starzelbach war einige Tage ohne Wasser………………..
1903: Zu dieser Zeit [im September 1899] trat der Starzelbach aus seinem Bette, so daß das mittlere und untere Dorf stark unter Wasser stund [sic]. Von da ab nahm der Wasserstand rapid u. anhaltend ab und volle zwei Jahre war die Bachrinne vollends ausgetrocknet. Eine große Kalamität, allgemeine Befürchtung, das Wasser werde nie mehr kommen. Auch sämtliche Dorfbrunnen zeigten einen bisher nie bemerkten niedrigen Wassersstand (Bemerkt sei, daß im ganzen deutschen Vaterlande, besonders an größeren Flüssen Klage herrschte über außerordentlich niedrigen Wasserstand). Am 1. März 1905 erschein zur allgemeinen Freude und Überraschung wieder das Wasser u. zwar sehr reichlich u. ohne Unterbrechung“.
Am 12.8. beschließt das Landgericht München I, dem Wiederaufnahmeantrag der Rechtsanwältin von Manfred Genditzki stattzugeben, und ordnet die Wiederaufnahme des Verfahrens und gleichzeitig die Freilassung Genditzkis an (siehe zu dem Fall – sogenannter Badewannenword – schon den Faktencheck vom 24.9.2021 „Auch die Justiz kann irren“).
Vom 11. bis 21. August finden 50 Jahre nach den Olympischen Spielen in München im Rahmen der Europäischen Championships in München neun Europameisterschaften statt, die Leichtathletik im Olympiastadion in München, Rudern und Kanu auf der olympischen Regattaanlage in Schleißheim, Sportklettern und Beachvolleyball auf dem Königsplatz, Bahnradwettbewerbe in der Messe München, die Turnwettbewerbe in der Olympiahalle und BMX-, Triathlon und Mountainbike Wettbewerbe am Olympiaberg. Die Zuschauer strömen massenhaft zu den Wettbewerben und vergnügen sich im Olympiagelände. Insgesamt kommen mehr als 1,47 Millionen Zuschauer zu den Wettbewerben. Besonders gefeiert werden in der Leichtathletik Gina Lückenkemper, Siegerin im 100 m-Lauf und mit der 4 x 100 m-Staffel, Konstanze Klosterhalfen, Siegerin über 5.000 m, und Niklas Kaul, der den Zehnkampf gewinnt.
September
Am 5.9.2022 findet auf dem ehemaligen Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck in einem großen Zelt neben dem Tower ein Staatsakt statt, der auch im Fernsehen übertragen wird. Es ist der Tag der Erinnerung und des Gedenkens an die zwölf Opfer des Anschlags auf die israelische Olympiamannschaft vor 50 Jahren. Bundespräsident Walter Steinmeier bittet die Angehörigen der Opfer um Vergebung dafür, dass an diesem Ort damals, wie er sagt, „Vertrauen beschädigt“ worden ist. Er meint damit das Vorgehen der Verantwortlichen bei dem völlig missratenen Versuch, die Geiseln zu retten, und die aus Sicht der Angehörigen sehr schwierig und zäh verlaufenen Verhandlungen wegen Gewährung einer angemessenen Entschädigung. Der Streit darüber wäre vor der Gedenkveranstaltung fast eskaliert, weil die Angehörigen und der Staatspräsident Israels die deutschen Einladungen lange nicht annahmen. Eine sehr viel kleinere Gedenkfeier des Historischen Vereins Fürstenfeldbruck findet einen Tag später am 6.9.2022 spätabends im Tower und damit direkt am Ort des Geschehens statt. Verschiedene Personen lesen Rollen nach Aussageprotokollen von damals beteiligten Personen und machen das Geschehen mit großer Eindringlichkeit präsent.
Zu beiden Veranstaltungen ist auch der Gröbenzeller Bildhauer Hannes L. Götz eingeladen, der vor 23 Jahren im Auftrag des Landkreises Fürstenfeldbruck die am 5.9.1999 eingeweihte Erinnerungsstätte am Haupttor des Fliegerhorsts gestaltet hat. Götz berichtet trotz seines hohen Alters höchst lebendig, wie er zu dem Auftrag für die Gestaltung der Erinnerungsstätte gekommen ist, welche Ideen er dazu hatte und wie er sie umgesetzt hat, nämlich mit einem großen Granitstein, der die Form einer Halbkugel hat und der gehalten wird von zwölf schmiedeeisernen, über dem Granit zu einem Bündel zusammengeführten Flammenstrahlen, die für die zwölf Söhne Jakobs, damit die zwölf Stämme Israels und gleichzeitig für die zwölf im September 19972 ermordeten Menschen stehen.
Die Queen stirbt am 8.9. im Alter von 96 Jahren, 70 Jahre nach ihrer Krönung. Sie hatte kurz vor ihrem Tod noch die neue britische Premierministerin Liz Truss empfangen hat. Ein ganzes Volk nimmt Abschied. Liz Truss ist dagegen nur sechs Wochen im Amt. Sie tritt nach einigen Tritten ins Fettnäpfchen am 20.10. schon wieder zurück.
Am 16.9. findet eine Führung durch das „Bergson“ in Aubing statt, das ist der gerade auf Initiative der Gebrüder Allguth im Entstehen begriffene neue Kulturtempel im umgebauten Heizkraftwerk ehemals der Reichsbahn (siehe Foto oben).
Am 23.9. wird aus Anlass des 600-jährigen Jubiläums der Schlacht von Hoflach in Alling eine Ausstellung über die historischen Ereignisse eröffnet. Mit dieser Schlacht, die wahrscheinlich eher ein Geplänkel war, endete der sogenannte Bayerische Krieg, also die Auseinandersetzung zwischen den Herzögen Ernst und Wilhelm III. von Bayern-München und dem Aggressor Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt, der mit seinen Horden die ganze Gegend unsicher gemacht und kriegslüstern überall Anschläge verübt und Brände gelegt hat. Am 25.9. findet ein Gottesdienst in der Hoflacher Kirche statt und anschließend wird das Abbild des in der Kirche befindlichen Freskos am Fuße des Hoflacher Hügels enthüllt. Schirmherr der Veranstaltung ist Luitpold, Prinz von Bayern. Veranstalter des Jubiläumswochenendes ist der Historische Verein Fürstenfeldbruck. Ein liebevoll gestaltetes Begleitbuch und sachkundige Führungen runden das Jubiläum ab. Kundige wissen, dass die Hoflacher Kirche auf ein Gelübde von Herzog Wilhelm III. zurück geht, der gelobte, an dieser Stelle eine Kirche zu bauen, wenn es ihm gelänge, seinen in der Schlacht in Bedrängnis geratenen Sohn Albrecht – den späteren Herzog Albrecht III. – zu retten, was ihm tatsächlich dann auch glückte.
Ende September wird die Dreifach-Turnhalle in Gröbenzell nach Paul Barth als Paul-Barth-Halle benannt. Er ist der einzige Gröbenzeller, der jemals eine Olympische Medaille gewonnen hat. Paul Barth gewann 1972 bei der Olympiade in München im Judo, Klasse Halbschwergewicht (bis 93 kg), eine Bronzemedaille. Paul Barth, eigentlich ein Münchner und sportlich beheimatet beim SC Großhadern, wurde 1973 von dem damaligen Vorsitzenden des 1. SC Gröbenzell Dr. Walter Meyer und dem 1. Bürgermeister Dr. Eicke Götz dafür gewonnen, in Gröbenzell eine Judo-Abteilung aufzubauen. Dank des Engagements von Paul Barth, der für die Jugendlichen, Mädchen und Jungen, natürlich ein ungeheures Zugpferd und ein idealer Trainer war, entwickelte sich die Abteilung schnell und heimste bald sehr große Erfolge ein, bis hin zu dritten Plätzen bei Deutschen Meisterschaften und Berufungen in die Nationalmannschaft. Paul Barth ist heute noch dem Sport in jeder Hinsicht eng verbunden, besonders mit dem „Olympiastammtisch“, der Runde der Olympioniken von 1972, und mit seiner Sammlung von Exponaten zur Olympiade in München, die er für die Ausstellung 2022 im Münchner Stadtmuseum aus Anlass des Jubiläums „50 Jahre Olympische Spiele in München“ zur Verfügung gestellt hat.
Oktober
Wieder ein Coup von Jan Böhmermann mit seinem ZDF-Magazin Royale. Er bringt das Ergebnis einer Recherche, nach der der Chef des Bundesamts für die Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) Arne Schönebohm nach seinem steilen Aufstieg in dieses hohe Amt immer noch enge Verbindungen zu einem Verein hat, der wiederum gute Kontakte zu russischen Geheimdienstkreisen pflegte und wohl immer noch pflegt. Schon wenige Tage nach der Sendung berichten die Medien, dass Bundesinnenministerin Faeser Schoenebohm möglichst schnell loswerden will. Es dauert nur einige weitere Tage, bis Faeser Schönebohm abberuft.
Etwas Erfreuliches ereignet sich in der Nähe: der Moosacher Spieglwirt, ein traditionelles bayerisches Wirtshaus, feiert nach einer umfassenden Renovierung Wiedereröffnung. Die jungen neuen Wirtsleute haben das Anwesen 2019 erworben und seither renoviert. Viele hatten schon befürchtet, dass es nicht mehr zu retten sein würde. Das Gebäude war 1849 an der alten Salzstraße zwischen Sendling und Moosach als Sölde, also als Bauernhof für mehrere Kleinbauern, erbaut worden.
November
Anfang November wird in Berlin eine Radfahrerin von einem Betonmischer überfahren. Sie stirbt wenige Tage später im Krankenhaus. Wegen einer Straßenblockade der „Letzten Generation“ war ein Rettungsfahrzeug erst mit einiger Verzögerung am Unfallort eingetroffen, während die Radfahrerin noch unter dem Fahrzeug eingequetscht war. Die Zwillingsschwester der getöteten Radfahrerin appelliert an die Klima-Kleber. In einem Interview mit dem „Spiegel“ fordert sie die Protestgruppe auf, ihre Protestmethoden zu überdenken.
Der Brucker Alfons Wahr veröffentlicht ein Buch „im Gartner der Erinnerung – persönliche Erlebnisse in Gröbenzell 1950 – 1980“. Unter anderem berichtet er über das Ergebnis von Recherchen, was und wer hinter dem Namen der Beislerstraße in Gröbenzell steckt – in dieser Straße ist er nämlich aufgewachsen und hat er bis 1980 gewohnt. Die Straße wurde von der Stadt München 1947 nach einem Hermann Ritter von Beisler, geb. 1790 in Bensheim/Kurpfalz und verstorben am 15.10.1859 in München, so benannt. Beisler war im 19. Jahrhundert ein Bayerischer Verwaltungsjurist und wurde 1848 zum Bayerischen Innenminister ernannt. Am 29.5.1848 kam er als Abgeordneter in die Frankfurter Nationalversammlung – Fraktion „Cafe Milani. Da er sich gegen die Einführung der Paulskirchenverfassung streubte, kam er, wie Wahr berichtet, in Konflikt mit der Kammer der Abgeordneten Bayerns und schied am 7.5.1849 aus der Nationalversammlung aus. Wahr gelang es, einen Urenkel Beislers ausfindig zu machen, der sehr viel erzählen konnte. Sein im Selbstverlag herausgebrachtes Buch (ISBN 978-3-7568-7422-4) wird sowohl im Tagblatt (19.12.2022: Überraschende Anekdoten aus Gröbenzell) wie auch in der FFB-SZ (28.12.2022: Im Alter zum Schreiben gefunden) sehr wohlwollend besprochen.
Bei der Sportlerehrung in Gröbenzell ist Prominenz angesagt. Der Fußballweltmeister von 1974 Paul Breitner hält die Laudatio für Georg „Schorsch“ Emmerdinger, einen der erfolgreichsten deutschen Sportler mit Handicap im Winter (Ski) wie im Sommer (Rad). Da Schorsch auf Vermittlung von Paul Breitner schon etliche Jahre in der Geschäftsstelle des FC Bayern arbeitet und dort überall äußerst beliebt ist, lag die Anfrage an Paul Breitner, die Laudatio zu übernehmen, nahe. Schorsch hat keine Angst vor großen Tieren, er kennt auch Arnie Schwarzenegger vom Skifahren. Geehrt werden auch Marco Hiller, Gröbenzeller „Gwachs“ und Stamm-Torwart der Löwen schon seit Jahren, Adi Hussmüller, Legende im Seniorentennis, die Damen des HCD Dambach für die Meisterschaft in der 3. Handballliga, und die Rollstuhlfechterin Denise Hutter, mehrfache Bayerische Meisterin, sowie Wilhelm Hoffmann und Alfred Heidegger für das Ü80-Sportabzeichen.
Die 27. Weltklimakonferenz in Sharm-El-Sheikh wird von vielen als schwierig und wieder sehr zäh empfunden. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, weist die Staats- und Regierungschefs auf der COP 27 eindrücklich darauf hin, dass sich die Weltgemeinschaft nun entweder zu einem Klimasolidaritätspakt oder zu einem kollektiven „Selbstmordpakt“ zusammenschließen kann.
Dezember
Bei der Fußball-WM in Katar scheidet Deutschland am 1.12. schon in der Gruppenphase aus. Die Medien rätseln, ob die Debatte um den Einsatz der Kapitänsbinde zum Zeichen huminatären Protests eine Mitschuld trägt. Die über Tage diskutierte Frage lautet: soll Manuel Neuer aus Solidarität mit homosexuellen, in Katar diskriminierten Menschen – wie an sich angekündigt – eine bunte Kapitänsbinde tragen? Er hat es dann in den Spielen nach Dikussion in der Mannschaft und mit der Delegationsleitung des DFB nicht getan. Die Mannschaft wich stattdessen mit vor dem Mund vorgehaltenen Händen auf eine stille Ersatzaktion aus, handelte sich damit aber nach ihrem Ausscheiden nur den Spott der Katarer ein.
Am 1.12.2022 berichtet der Münchner Merkur, dass die heimatkundliche Zeitschrift „Amperland“ wieder zu kämpfen hat („Amperland in schweren Gewässern“). Die FFB-SZ berichtet am 23.12.2022 ebenfalls („Amperland auf der Kippe“). Die Druckerei Bayerland GmbH hat den Druckereivertrag im Sommer 2022 gekündigt. Das haben drei der sechs Träger, die die immer schon defizitäre Zeitschrift mit jährlichen Zuschüssen je zwischen 2.000 € und 7.500 € stützen, zum Anlass genommen, ihre Trägerschaft aufzukündigen. Allerdings rang sich die Stadt Fürstenfeldbruck dann doch wieder zu einer grundsätzlichen Fortsetzung ihrer Trägerschaft durch, sodass nur noch die Stadt Freising und der Landkreis Freising abtrünnig sind. Die Stadt Dachau, der Landkreis Dachau und der Landkreis Fürstenfeldbruck stehen ohnehin fest zu der Zeitschrift.
Warum wäre eine Einstellung der Zeitschrift eine Katastrophe ?
Die Zeitschrift gibt es seit 1965. Sie ist eine wichtige Plattform für alle Heimatforscher in der Gegend, auf der sie (unentgeltlich) veröffentlichen und sich austauschen können. Jedermann kann online auf der homepage des Amperland auf alle seit 1965 erschienen Beiträge zurückgreifen. Die Zeitschrift hat im Jahre 1995 als beste deutsche Regionalzeitschrift den Bundespreis deutscher Heimatzeitschriften und 2003 den Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung erhalten. Ein Heft kostet bisher trotz hoher Druckqualität im Buchhandel nur 5 € und das Jahresabo – vier Hefte – 18,50 €. Leider hat die Zeitschrift zu wenig Abonnenten und Käufer im Buchhandel, um kostendeckend arbeiten zu können.
Bei dieser Sachlage kann der Fortbestand des „Amperland“ nicht an ein paar Tausend Euro im Jahr scheitern. Bei den Maskengeschäften haben sich in Bayern gerissene, CSU-nahe Geschäftsleute viele Millionen an Steuerzahlergeldern als Provisionen unter den Nagel gerissen, können aber scheinbar nicht belangt werden. Bei den Cum-Ex-Geschäften wurde die Staatskasse über viele Jahre in dreistelliger Millionenhöhe bandenmäßig geplündert, ohne dass die Lecks erkannt oder gestopft worden wären. Erst allmählich beginnt unter dem Druck der Öffentlichkeit eine juristische und parlamentarische Aufarbeitung. Die Kultur hat keine so starke Lobby und war immer schon ein beliebtes Sparopfer – vielleicht auch deshalb, weil aus dieser Ecke immer wieder widerspenstige Köpfe kommen. Im Vergleich zu den aus Steuergeldern gezahlten Maskenprovisionen und zu den vielen von Andreas Scheuer als Bundesverkehrsminister grob fahrlässig in den Sand gesetzten Millionen für die Einführung einer Maut muten die Beträge, die beim Amperland fehlen, geradezu lächerlich an.
Kurz vor Weihnachten muss auch der Verleger der 115 Jahre alten Zeitschrift „Die Oberpfalz“ Erich Laßleben traurige Nachrichten verkünden. Die Abonnentenzahl ist gravierend zurück gegangen und der Papierpreis ist explodiert. Daher müssen die Abo-Preise von 26 € auf 32 € erhöht werden (SZ vom 20.12.2022: „Die Oberpfalz von A bis Z“). Es trifft also auch andere traditionsreiche regionale Zeitschriften mit geschichtlicher Themenstellung in Bayern gerade schwer. Unterdessen lassen Andrea Tandler und der Ex-Justizminister in Bayern und Landtagsabgeordnete in Bayern Alfred Sauter ungerührt vom laufenden Untersuchungsausschuss im Landtag in der Maskenaffäre immer noch alle Vorwürfe von sich abtropfen. Tandler weiß, dass sie ihr Geld behalten darf, und Sauter hat seine Provisionen generös gespendet.
Woanders pfeift ein ganz anderer Wind: die Schwarzfahrerthematik ploppt erneut auf, dieses Mal allerdings in einer anderen Variante, nämlich in der des unfreiwilligen Schwarzfahrers. Ein Ehepaar hatte für eine Fahrt von Obermenzing nach Starnberg versehentlich für 15 € eine Gruppenfahrkarte für die Zone 1, statt für die Zonen 1 und 2 gelöst. Kurioserweise kosten beide Fahrkarten jedoch dasselbe. Das wollte der Kontrolleur nicht gelten lassen und stellte dem Ehepaar ein erhöhtes Beförderungsentgelt von 2 x 60 € = 120 € aus. Der Fall war im Juni 2022 schon ein Jahr alt. Das betroffene Ehepaar hatte einen Schlichtungsantrag bei der Schlichtungsstelle für den Öffentlichen Personennachverkehr (SÖP) gestellt. Diese Stelle hatte der Bahn vorgeschlagen, den Betrag auf 30 € zu reduzieren. Die Bahn beharrte auf den 120 € und übergab den Fall einem Inkassounternehmen. Das Ehepaar fand jedoch einen Anwalt, der bereit war, es auf einen Mahnbescheid und einen Prozess ankommen zu lassen. Es ignorierte einige Drohschreiben und Vergleichsangebote, bis die Bahn aus heiterem Himmel die Forderung auf einmal doch fallen ließ.
MM vom 6.12.2022: Ehepaar zwingt die Bahn in die Knie.
Am 13.12.2022 verurteilt das Bonner Landgericht die von der Schweiz ausgelieferte Schlüsselfigur der Cum-Ex-Aktiendeals Hanno Berger zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren. Er sei wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen schuldig, entschied das Gericht. Der heute 72-Jährige habe „ganz erhebliche kriminelle Energie“ gezeigt und das Geschäftsmodell „in eine neue Umlaufbahn geschossen“, sagt der Vorsitzende Richter Roland Zickler bei der Urteilsverkündung: „Sie sind nicht der Erfinder von Cum-Ex, aber Sie sind der Erfinder von Cum-Ex 2.0.“ Damit fällt die jahrelange stereotype Behauptung der Strafverteidiger in sich zusammen, es handle sich bei diesen Geschäften nur um die straflose Ausnutzung einer Gesetzeslücke, und, die mit den Steuermodellen erlangten „Steuererstattungen“ seien völlig legal gewesen.
Berger war nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ oder „Frechheit siegt“ mit einer Kaskade von Strafanzeigen zunächst seinerseits gegen die deutschen Ermittler, vor allem gegen die Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker, vorgegangen. Die Strafverteidiger Bergers und anderer Cum-Ex-Experten hatten dabei ganz schön fest mit draufgehauen, vor allem Thomas Fischer und Peter Gauweiler von München aus. Berger hatte zunächst angekündigt, er werde zu einem etwaigen Prozess gegen ihn erscheinen, meldete sich dann aber, als es soweit war, krank. Daher musste das Landgericht Wiesbaden zunächst ohne ihn mit der Hauptverhandlung beginnen. In jenem Fall ging es um einen Schaden von 113 Mio. €, der unter Mitwirkung der Münchner Hypo-Vereinsbank angerichtet worden war. Das LG Bonn hat dann eine weitere Anklage gegen Berger zugelassen, und zwar wegen 279 Mio. €, die über die Hamburger Warburg Bank aus der Staatskasse geplündert worden waren[1].
Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende in Berlin mahnt trotz des Erfolges beim LG Bonn mehr Tempo bei der Aufarbeitung des Steuerskandals an. „Wir sind im Jahr elf nach der Unterbindung solcher Geschäfte, und trotz über 1.500 Beschuldigter lassen sich die Angeklagten an wenigen Händen abzählen„, kritisiert er. Die Cum-Ex-Aufklärung sei über Jahre im Schneckentempo verlaufen, „weil viele das Thema lieber unter den Teppich gekehrt haben“. Die Aufarbeitung des größten Steuerskandals der Bundesrepublik werde noch Jahre dauern.
Um die Flut an absehbaren Prozessen bewältigen zu können, wird in Bonns Nachbarstadt Siegburg ein neues Gebäude nur für künftige Cum-Ex-Prozesse gebaut. Das Gebäude soll 2024 fertig sein.
Am 30.12.2022 berichtet die SZ im Fall Greipl, dass das Landesamt für Finanzwesen signalisiert habe, dass es doch nicht die ganze titulierte Summe – nebst aufgelaufenen Zinsen und Kosten soll sich die Schuld inzwischen auf über 900.000 € belaufen – vollstrecken wolle. Die SZ berichtet von einem geplanten Erlass auf 400.000 €, was aber immer noch eine stattliche Summe ist.
SZ vom 30.12.2022: Freistaat will Greipl Schulden nachlassen
Offenbar war bei einigen Spitzenbeamten des Freistaats die Härte ihres Dienstherrn gegen einen Kollegen nicht so gut angekommen. Die online Petition, die der Anwalt von Greipl, unterstützt von Prof. Achim Hubel aus Regensburg, einigen weiteren namhaften Leuten wie Prof. Hans Maier und dem ehemaligen Bundesfinanzminister und früheren CSU-Vorsitzenden Theo Waigel und weiteren rund 400 Personen eingereicht hat, scheint Wirkung zu zeigen. Die im Frühjahr 2022 eingereichte Petition ist damit begründet, dass der Bayerische Staat Greipl in ein Dilemma geschickt habe, weil er ihm für die Erfüllung der Mammutaufgabe nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes keine ausreichenden Planstellen bewilligt habe, sowie weiter, dass eine Vollstreckung dieses hohen Betrages für Greipl existenzvernichtend sei und dass Greipl im Herbst 2021 einen Schlaganfall erlitten habe.
Schließlich gibt es zum Ende des Jahres noch ein Urteil des Landgerichts München I zu den sog. Maskengeschäften (Urt. v. 30.12.2022, Az. 34 O 4965/21). Der Kläger meinte, mit dem Freistaat Bayern trotz bloßer Mündlichkeit einen gültigen Kaufvertrag über Masken abgeschlossen zu haben und machte rund 1,58 Mio. € entgangenen Gewinn geltend. Die Vertreter des Freistaats Bayern erklärten, das Geschäft sei nicht zustande gekommen, weil die Tauglichkeit der Masken nicht habe geklärt werden können. Wie sich im Prozess dann erhärtete, waren die Masken offenbar tatsächlich untauglich. Vielleicht geht der unterlegene Kläger aber noch in die Berufung.
Wir haben den wärmsten Dezember seit Aufzeichnung der Temperaturen. Die kurzzeitige schöne Winterlandschaft hielt nur bis eine Woche vor Weihnachten.
Die führende deutsche Cum-Ex-Ermittlerin, die Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker, erklärt, sie hege keinen Anfangsverdacht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen den früheren Hamburger Ersten Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz sowie den früheren Finanzsenator und heutigen Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD). Brorhilker teilt damit die entsprechende Auffassung der für die von dem Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate eingereichte Strafanzeige zuständigen Staatsanwältin. Strate hatte gegen Scholz und Tschentscher im Februar eine Strafanzeige gestellt, weil sie dafür verantwortlich seien, dass die Hamburger Finanzverwaltung 2016 auf eine millionenschwere Steuerrückzahlung der Privatbank Warburg verzichtet habe.
Am 29.12. stirbt die brasilianische Fußballlegende Pele mit 82 Jahren.
Einen Tag später stirbt mit 81 Jahren die britische Modelegende Vivienne Westwood und schließlich am letzten Tag des Jahres mit 95 Jahren der emeritierte Papst aus Bayern, Benedikt XVI., mit bürgerlichem Namen Joseph Ratzinger.
[1] Joachim Jahn, Report: Auslieferung aus dem Steuerparadies; NJW-aktuell 4/2022; S. 20f.: „Bezahlte Gutachter und Großkanzleien hatten die anrüchigen Geschäfte damit gerechtfertigt, der Gesetzgeber habe zu Zeiten des Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD) bewusst eine Lücke im System der Quellensteuerbescheinigungen gelassen“. Jahn kritisiert dort auch den BGH-Richter Andreas Mosbacher wegen seiner in der Tat etwas merkwürdigen Kritik in der NJW 2021, S. 1916, an einem Urteil des OLG Frankfurt a.M., mit dem dieses das erstinstanzliche Auslieferungsverlangen an die Schweiz betreffend Berger bestätigt hat.
Foto: Johann G. Böhmer (Mauerdurchbruch im „Bergson“, Aufnahme vom 16.9.2022)
Literaturempfehlung: Roman Deininger und Uwe Ritzer, Die Spiele des Jahrhunderts, 2021.