Rein in die Kartoffeln…..

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In der Gemeinderatssitzung am 16.2.2023 stand unter TOP 5 unter der Bezeichnung „Bauleitplanung: Untersuchung der Handlungsspielräume der Entwicklung der kleinteiligen Wohngebiete – Präsentation der formellen Planung und Handlungsempfehlung durch das Büro LARS consult GmbH“ das Fazit der Untersuchungen des Planungsbüros zu dem bereits in der Sitzung vom 25.11.2021 vom Gemeinderat erteilten und in der Sitzung vom 28.7.2022 spezifizierten Auftrag auf der Tagesordnung. In der Sitzung vom 25.11.2021 war LARS consult beauftragt worden, für zwei ausgesuchte kleinteilige Wohngebiete – eines im Norden von Gröbenzell (zwischen Brombeerweg und Kastanienweg bzw. Erikastraße und Graßlfingerstraße) und eines im Süden von Gröbenzell (südlich Rotwandstraße und Felsenstraße) anhand von vier Szenarien zu untersuchen, wie man mit den weitgehend bereits bebauten kleinteiligen Wohngebieten von Gröbenzell bauplanerisch weiter umgehen soll, d. h. ob man die vorhandenen zahlreichen Bebauungspläne aufheben oder ändern soll oder keines von beiden, sie also belassen soll, und wenn ändern, ob man kein zusätzliches Baurecht gewähren soll oder ob man ein solches schon gewähren soll. Dementsprechend waren also vier Szenarien zu untersuchen:

Szenario Bestand: keine Überarbeitung der Bebauungspläne. Ausschöpfen des Baurechts nach den aktuell rechtsgültigen Bebauungsplänen

Szenario Baurechtserhalt: Überarbeitung (sprich Optimierung) der Bebauungspläne einschließlich Aufstellung von Grünordnungsplänen nach folgenden übergeordneten Zielen:

  • flächensparendes Bauen
  • Erhalt und Ausbau des Grünbestandes
  • Schaffen von (zusätzlichem) Wohnraum

Wie aus der Beschlussvorlage zu TOP 7 der Sitzung vom 28.7.2022 hervorgeht, sollte in diesem Szenario untersucht werden, ob durch kompaktere Baukörper, d. h. durch ein mehr in die Höhe statt in die Breite bauen, eine bessere Berücksichtigung und Ausweitung des Grünbestandes ermöglicht wird. Dabei sollte die vorhandene Typologie „Einfamilienhäuser, Doppelhaushälften und kleine Mehrfamilienhäuser“ erhalten bleiben.

Szenario Baurechtentwicklung: Mehrung des Baurechts unter Ausschöpfung des verträglichen Nachverdichtungspotentials und unter Berücksichtigung der o. g. übergeordneten Ziele. In diesem Szenario sollte auch verstärkt Geschosswohnungsbau zulässig sein und es sollten auch die Folgelasten für die Gemeinde berücksichtigt werden.

Szenario § 34 BauGB (nur für das Untersuchungsgebiet Nord): Aufheben der bestehenden Bebauungspläne und Entwicklung der Gemeinde Gröbenzell nach § 34 BauGB, d.h. nach dem Maßstab nicht eines Planes, sondern der Umgebungsbebauung.

Die Untersuchung wird wegen der großen Relevanz des Themas „Wohnen im Großraum München“ vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr mit einem Betrag von 45.000 € bei angenommen 90.000 € Gesamtkosten gefördert (Förderbescheid vom 28.4.2021).

Zum Zeitpunkt der Sitzung vom 28.7.2022 war die erste Bearbeitungsstufe „Erarbeitung der Szenarien und daraus abgeleitete (informelle) Handlungsempfehlungen“ vom Planungsbüro abgeschlossen. Diese wurde daher in jener Sitzung dem Gemeinderat als Zwischenstand der Untersuchung vorgestellt. Daran schloss sich als zweite Stufe die formelle Ausarbeitung von planerischen und textlichen Festsetzungen an. Das Ergebnis dieser zweiten Stufe wurde dem Gemeinderat nun am 16.2.2023 vorgestellt.

Leider kann man weder aus der Beschlussvorlage noch aus dem Sitzungsprotokoll zur Sitzung vom 28.7.2022 Genaueres zum Ablauf erfahren. Im Protokoll steht nur, dass die Mitglieder des Gemeinderats die Ausführungen der Vertreter von LARS consult zum Zwischenstand der Untersuchung in der Sitzung zur Kenntnis genommen haben und LARS consult mit 27:0 Stimmen mit dem Abschluss der Untersuchung, d. h. der Ausarbeitung und Vorstellung von formellen Festsetzungen beauftragt haben.

Diese Dürre (= inhaltliche Aussagelosigkeit) des Gemeinderatsprotokolls ist der Tatsache geschuldet, dass in Gröbenzell die Sitzungsprotokolle seit Jahrzehnten nur als Ergebnis- und nicht mehr als Verlaufsprotokoll geführt werden. In Ergebnisprotokollen werden nur die wesentlichen Förmlichkeiten einer Sitzung (Anwesenheit, Reihenfolge und Bezeichnung der TOPs, eventuelle Änderungen gegenüber der Bekanntmachung, Wortlaut der zur Abstimmung gestellten Beschlüsse, Abstimmungsergebnisse einschließlich Verhinderungen) und nur ganz kurze, für besonders wichtig gehaltene Fakten festgehalten. Eine zusätzliche Aufnahme von Äußerungen gibt es nur dann, wenn ein Sitzungsteilnehmer deren Aufnahme ins Protokoll ausdrücklich beantragt. Der Verlauf der Beratung, also der wesentliche Inhalt von Redebeiträgen, wird nicht protokolliert. Damit zerfließen die Verantwortlichkeiten. In Puchheim z. B. ist das anders.

Wenn man über den Verlauf einer Beratung etwas erfahren will, also z. B., wer welche Meinung geäußert hat, ist man in Gröbenzell auf den Bericht von Sitzungsteilnehmern oder von Zuhörern oder auf Presseberichte angewiesen (falls es solche gibt). Das ist natürlich sehr aufwändig und begünstigt oberflächliches Dahergerede.

Vorliegend scheint es so, dass der Beschlussvorlage am 28.7.2022 im Gemeinderat ohne Weiteres gefolgt wurde und dass die Beratung auch bei keinem in der Sitzung anwesenden Pressevertreter Anstoß erregte.

Zu Zeiten der Bürgermeisterschaft von Dr. Rieder konnte man zu den Beschlüssen und Beratungen in Gemeinderats- oder Ausschusssitzungen noch in den regelmäßigen Mitteilungsblättern der Gemeinde etwas erfahren. Die unter Bürgermeister Rubenbauer an die Stelle des Mitteilungsblattes gerückte, alle zwei Monate erscheinende Broschüre „Gröbenzell im Blick“ enthält eine Rubrik „Aus dem Gemeinderat …“ nicht mehr.

Wenn ein interessierter Bürger etwas über den Verlauf der Beratung zu einem TOP erfahren will, kommt er mit dem Sitzungsprotokoll in der Regel nicht weiter. Auch Gemeinderatsmitgliedern geht es in Gröbenzell nicht besser. In Puchheim tun sich sowohl die normalen Bürger wie auch die Stadträte leichter. Erstere können auf Verlaufsprotokolle zugreifen, zweitere bekommen seit vielen Jahren von der Verwaltung unentgeltlich einen Pressespiegel, den bei uns nur der Bürgermeister vorgelegt bekommt. In Gröbenzell verpuffte ein Antrag, auch die Ratsmitglieder mit dem Pressespiegel (der für den Bürgermeister ohnehin gemacht wird) zu versorgen, im Gemeinderat vor einigen Jahren im Nichts. The show should go on ! Die Früchte sehen wir an Beispielen wie jetzt diesem.

Warum diese Ausführlichkeit zum Drumherum um diesen TOP in der Gemeinderatssitzung am 16.2.2023 ?

Ganz einfach: weil das Büro LARS consult in der GR-Sitzung am 16.2.2023 als letztendliches Ergebnis zu der 2021 vom Gemeinderat beauftragten musterhaften Untersuchung für die kleinteiligen Bebauungsplangebiete kundtat, dass die vom Gemeinderat vorgegebenen oben genannten Ziele „flächensparendes Bauen“, „Erhalt und Ausbau des Grünbestandes“ und „Schaffung von neuem Wohnraum“ über eine Neufassung der Bebauungspläne nicht besser erreicht werden können als über die jetzt schon bestehenden Bebauungspläne.

Das heißt mit anderen Worten: man hätte sich den ganzen Aufwand dieser Untersuchung eigentlich auch sparen können. Das Ergebnis ist, wie es blamabler und beschämender eigentlich gar nicht sein könnte. Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Das ist allerdings, wenn man ehrlich ist, typisch für Gröbenzell.

Der Beschlussvorschlag der Verwaltung lautet,

  • der Gemeinderat nimmt die Ausführungen von LARS consult zur formellen Planung und die abschließende Handlungsempfehlung, entsprechend Szenario I vorzugehen (also es bei den bisherigen Bebauungsplänen zu belassen), zur Kenntnis,
  • ferner, der Gemeinderat beschließt, von der damaligen Leitidee, die bestehenden rechtsverbindlichen Bebauungspläne in den kleinteiligen Wohngebieten zu überarbeiten, Abstand zu nehmen,
  • drittens, er beauftragt die Verwaltung, ihr künftiges Verwaltungshandeln danach auszurichten
  • und viertens, er beschließt, das bisher angestoßene Verfahren zur Änderung des Bebauungsplanes in einem kleinteiligen Wohngebiet, nämlich das betreffend den B-Plan Nr. 11 Freyastraße einzustellen.

Einziger Pressebericht zu der Beratung und Beschlussfassung am 16.2.2023 zu diesem TOP ist bisher der Bericht von Guido Verstegen im

Fürstenfeldbrucker Tagblatt/Münchner Merkur vom 18.2.2023: „Uralt-Baurecht soll bleiben wie es ist„.

https://www.merkur.de/lokales/fuerstenfeldbruck/groebenzell-ort28765/uralt-baurecht-soll-bleiben-wie-es-ist-groebenzell-92094105.html

Das Tagblatt berichtet, dass der Gemeinderat 2018 die Leitidee gefasst habe, die vielen bestehenden Bebauungspläne in Gröbenzell auf breiter Front zu überarbeiten, und dass man sich jetzt von dieser Idee wieder verabschiedet habe, allerdings gegen das Votum der Fraktion der GRÜNEN. Der zweite Bürgermeister Runge habe gesagt, die Gemeinde mache sich „nicht beliebt bei den Bürgern“. Es gäbe einfach zu viele materiell fehlerhafte Bebauungspläne und es gäbe Handlungsbedarf, man müsste nur das richtige Maß finden. Seine Fraktionskollegin Monika Baumann wird mit den Worten zitiert, die Ungerechtigkeiten sollten verschwinden, sie hätte sich mehr Fantasie vom Planungsbüro gewünscht. Von Peter Falk (SPD) wird berichtet, er habe als Konsequenz aus der Erkenntnis heraus, dass ein Mehr an Baurecht eben nicht mit dem Wunsch nach Erhalt von Grünflächen vereinbar sei, für eine verstärkte Dachbegrünung und für einen Rückschnitt der kommunalen Stellplatzverordnung plädiert.

Man muss schon ein sehr kurzes Gedächtnis haben, wenn man aufgrund des Ergebnisses dieser Untersuchung zur Meinung kommt, man mache sich mit dem Belassen der alten Bebauungspläne nicht beliebt bei den Bürgern. Runge übergeht damit, dass es bei dem Bebauungsplan Nr. 11 Freyastrasse einen sehr heftigen Widerstand der Planbetroffenen und auch noch weiterer Gröbenzeller gab, die ein Umschalten von einem Reinen Wohngebiet (WR) in ein Allgemeines Wohngebiet (WA) vehement ablehnten, da das logischerweise einen geringeren Schutzstatus z. B. gegenüber Lärm und gegenüber Nichtwohnnutzungen zur Folge gehabt hätte.

Daher gab es am 26.2.2019 eine von Gerhard Eisenkolb von der SZ moderierte Veranstaltung des Gröbenhüter e. V. Gröbenzell in der Galerie des Bürgerhauses, in der Planbetroffene und andere Gröbenzeller die vor allem von Martin Runge befürworteten Pläne sehr heftig kritisiert haben.

FFB-Tagblatt vom 28.2.2019 „Anwohner fürchten um ihre Idylle“.

https://www.merkur.de/lokales/fuerstenfeldbruck/groebenzell-ort28765/bayern-groebenzell-zoff-um-plan-aenderung-anwohner-in-groebenzell-fuerchten-um-idylle-11810959.html

FFB-SZ vom 27.2.2019 „Überraschend viel Gewerbe“

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/fuerstenfeldbruck/staedtebau-groebenzeller-fuerchten-laerm-und-wertverlust-1.4347242

FFB-SZ vom 28.2.2019 „Gröbenzeller fürchten Lärm und Wertverlust“

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/fuerstenfeldbruck/anwohnerprotest-ueberraschend-viel-gewerbe-1.4346095

Der vorletzte Artikel zeigt, dass Martin Runge auf dieser Veranstaltung äußerst agressiv aufgetreten ist, indem er die Verteidiger der Gebietskategorie „Reines Wohngebiet“ als Vertreter einer „widerwärtigen“ Kampagne verunglimpfte und seinen Gemeinderatskollegen Anton Kammerl als „Steigbügelhalter“ derselben brandmarkte. Kurioserweise hatte, als Runge das Wohngebiet Freyastraße als Musterverfahren für die Überarbeitung aller Gröbenzeller Bebauungspläne auserkor, in genau diesem Wohngebiet eben gerade ein auf Flüchtlingsunterbringung spezialisierter Investor (Spekulant) ein für die Verhältnisse jenes Wohngebietes übergroßes Mehrfamilienhaus (das noch dazu wegen eines illegal gebauten zweiten Geschosses seit über 20 Jahren schon ein massiver Schwarzbau war), gekauft und zu einer Flüchtlingsunterkunft umgewidmet. Es war Runges Pech, dass seine Bagatellisierung dieses Falles, man wolle ja nichts für die Anwohner Nachteiliges, die Befürchtungen der Anwohner geradezu befeuerte.

Vielleicht erinnert sich die für Gröbenzell zuständige Journalistin bei der FFB-SZ Frau Lindenbach, die in den zwei oben genannten Artikeln vom 27.2. und 28.2.2019 auch über die Veranstaltung vom 25.2.2019 berichtet hat, noch an diese Vorgeschichte. Guido Verstegen ist erst später zum Tagblatt gestoßen, was das Übergehen dieser Historie in seinem o.g. Artikel erklären mag.

Somit bleibt die Frage, wie man mit soviel heißer Luft und einer solchen Verschwendung von Steuergeldern umgehen soll. Zur Erkenntnis, dass sich die Vermehrung von Baurecht zum Erhalt von Grün tendenziell gegenläufig verhält, braucht man kein teures Gutachten.

Der Münchner OB Dieter Reiter hat kürzlich in einem Interview mit der SZ beklagt, dass in seiner eigenen Stadtverwaltung nichts mehr weitergehe, weil sich die Referate immer öfter gegenseitig blockieren und eine vom Stadtrat beauftragte Machbarkeitsstudie nur noch die andere jage.

SZ vom 11./12.2.2023: „Ich dachte ich spinne“

https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/muenchen/muenchen-oberbuergermeister-dieter-reiter-interview-beschwerde-vorankommen-e766228/

Reiter kritisiert damit das Wegschieben von Verantwortung. In Gröbenzell ist es vielleicht mehr noch die Lust an der großen Show, das unstillbare Bedürfnis, immer neue Aufreger zu produzieren – was die Presse freilich gerne aufnimmt.

Foto: stanbalik auf pixabay