Kinoempfehlung: „Lars Eidinger – sein oder nicht sein“

In Blog by Johann G. Böhmer

Der Münchner Filmemacher Reiner Holzemer hat Lars Eidinger sieben Monate für ein filmisches Portrait hautnah begleiten dürfen. Er ist dabei mit Eidinger auch zurück gegangen an die Berliner Schauspielschule Ernst Busch, wo Eidinger Schüler war, und an die Schaubühne in Berlin, wo Eidinger 1999 sein erstes festes Engagement erhielt. Eidinger erzählte bei der Premiere am 22.3.2023 im City-Kino in München von dem Intendantenvorsprechen, als es 1999 um die Aufnahme in das Ensemble der Schaubühne ging. Er hatte sich dafür die Rolle des Franz Moor aus Schillers „Räuber“ ausgesucht und die Szene so aufzogen, dass er am Anfang gar nichts redete, sondern nur ein Bonbon nach dem anderen lutschte und dabei überlegte, wie er das Gespräch mit seinem Vater anfangen soll. Eidinger erzählte weiter, dass er zwar genommen wurde, allerdings dann zwei Jahre außer in einem Stück und dort auch nur in einer sehr, sehr kleinen Rolle, nie besetzt wurde. Das war Frust pur für den jungen, extrem ehrgeizigen Eidinger.

Eidinger erklärte auch, dass man den bekannten Hamletsatz, der im Namen der Doku vorkommt, verschieden aussprechen kann: „nichtsein“ als ein Wort oder auseinander mit Betonung auf „nicht“. Ja, stimmt, it makes a difference. So machen viele Dinge eine difference, sofern man über sie nachdenkt. Ursprünglich war, so erfährt man, statt des Hamletsatzes „sein oder nicht sein“ – ergänze: „das ist hier die Frage“ – „Rampensau“ im Filmtitel mitangedacht. Man merkt aber auch so: bei Eidinger bekommt man vollen Einsatz geboten.

Reiner Holzemer war mit seinem Miniteam – es besteht beim Dreh eigentlich nur aus ihm selber als Kameramann und einem Tonmann – bei den Proben für die aktuelle Inszenierung des „Jedermann“ in Salzburg hautnah dabei, wo Eidinger eben den Jedermann spielt. Eigentlich sind zu solchen Proben nie irgendwelche Dritte zugelassen. Eidinger aber ließ das zu und die anderen Beteiligten gingen mit. Mittendrin kommt es bei den Proben zu einer Szene, in der Eidinger in einem Monolog voll aus sich herausgeht, dann aber abbricht, weil er sieht, dass der Regisseur ihm nicht mehr zuschaut, sondern stattdessen mit einer Person neben ihm etwas zu besprechen beginnt. In diesem Moment unterbricht Eidinger und fragt den Regisseur, was er da eben gerade gemacht habe. Sein Verhalten habe ihm mitten im Spiel bei einer mit vollem Einsatz gespielten Szene den Boden unter den Füßen weggezogen. Der Zuschauer wird durch das Zeigen dieser Verwerfung angehalten, darüber nachzudenken, was Schauspielerei eigentlich ist. Eidinger hätte verlangen können, dass diese Passage in der Doku nicht gezeigt wird. Das hat er aber nicht gemacht.

Eidinger sagt bei der Premiere zur Erklärung seines am Ende doch recht heftigen Wutausbruches: „Ich mach das alles ja als Schauspieler nur deshalb, weil mir jemand zuhört, Aufmerksamkeit schenkt. Ohne das funktioniert das Ganze nicht“.

Das ZDF drückte es in der heute-Sendung am Tag der Premiere so aus:
Lars Eidinger ist ein Glücksfall für die Schauspielkunst und dieser Film ist ein Glücksfall für die, die sich für diese Kunst interessieren“.

https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/dokumentation-schauspieler-eidinger-100.html

Der Kinostart war am 23.3.2023. Ab Donnerstag, 30.3.2023, wird der Film auch in den Gröbenlichtspielen in Gröbenzell gezeigt, siehe dazu den Trailer:

https://cdn.cineweb.de/filmbilder/500/380977/1.jpg

Foto: Johann G. Böhmer (Eidinger nach dem Film bei der Premiere am 22.3.2023 im City-Kino)