Das Bundesverfassungsgericht stoppt den Erlass des Heizungsgesetzes – mit einem ordentlichen Rumps in die parlamentarische Sommerpause.

In Blog by Johann G. Böhmer

Die Ampelkoalition wollte das umstrittene Heizungsgesetz unbedingt noch vor der parlamentarischen Sommerpause beschließen, nachdem der Entwurf mehrfach grundlegend geändert/nachgebessert worden war und eine erste Lesung bereits stattgefunden hat. Am heutigen Freitag sollte die abschließende Lesung stattfinden und das Gesetz im Parlament beschlossen werden. Allerdings hatte ein CDU-Abgeordneter beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine einstweilige Anordnung beantragt, die dem Bundestag dieses Prozedere untersagen sollte. Begründung: der zur weiteren Lesung und Abstimmung anstehende (umfangreich geänderte) Gesetzesentwurf lag den Abgeordneten nicht bereits 14 Tage vor der Abstimmung vor. Am Mittwochabend gab das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung in diesem Eilverfahren bekannt: die zweite und dritte Lesung des Gesetzes darf nun nicht mehr in der laufenden Sitzungswoche (und damit vor Beginn der Sommerferien des Parlaments) stattfinden.

Bundeskanzler Scholz wurde, wie die SZ berichtet, von der Entscheidung am Mittwochabend auf einem Sommerfest der SPD-Bundestagsfraktion überrascht. Zuvor habe er sich dort noch zuversichtlich gezeigt, dass das Thema erledigt sei, so die SZ.

Heizungsgesetz: Karlsruhe und das Debakel für die Ampel, sz.de, 6.7.2023,

https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/politik/heizungsgesetz-scholz-habeck-verfassungsgericht-lindner-e163987/?reduced=true

Heizungsgesetz vorm Verfassungsgericht: Der Schock für die Ampel um 21:48 Uhr, sz.de, 6.7.2023

https://www.sueddeutsche.de/politik/heizungsgesetz-scholz-bundesverfassungsgericht-koalition-schock-1.6001642?reduced=true

Wirtschaftsminister Harbeck war gestern alleiniger Gast bei Markus Lanz im ZDF und sagte, man respektiere die Entscheidung des BVerfG selbstverständlich und werde das Gesetz nun eben im September beschließen. Der letzte Entwurf solle nicht mehr verändert werden. Darauf habe man sich innerhalb der Ampelkoalition auf die Entscheidung des BVerfG hin bereits verständigt.

Robert Habeck bei „Lanz“: Zwei Männer beim Paartanz im Sitzen

sz.de, 7. Juli 2023, 10:51 Uhr

https://www.sueddeutsche.de/medien/robert-habeck-lanz-tv-kritik-1.6004067?reduced=true

Der beim BVerfG erfolgreiche Beschwerdeführer Thomas Heilmann (CDU) kommentierte seinen Erfolg mit dem Hinweis, dass man als Abgeordneter wegen der verkürzten Beratungen zur Gesetzesnovelle konzeptionelle Schwächen im Entwurf weder aufzeigen noch ändern könne. Das heißt, Heilmann pocht also auf sein Recht, gegebenenfalls noch Änderungen an dem Entwurf zu beantragen. Das kollidiert mit der Sicht der Vertreter der Ampel, die daran festhalten, dass es keine Änderungen am Entwurf mehr geben soll oder wird. Sie reklamieren, dass das BVerfG an dem Entwurf ja inhaltlich nichts kritisiert habe, sondern „nur“ das Verfahren beanstandet habe. Wenn man aber das Verfahren nicht doch wieder durch die Hintertüre zur bloßen Förmelei degradieren will, sollte man solche das Ergebnis vorwegnehmende Prognosen unterlassen. In Gerichtsprozessen begründet es einen Befangenheitsgrund, wenn ein Richter schon vor dem Ende der Beweisaufnahme zu erkennen gibt, dass er auf eine bestimmte Entscheidung festgelegt ist. Grund: das Verfahren wird dann zur Farce. Im Prinzip entwerten die Vertreter der Ampel durch taktisch motivierte Äußerungen trotz formaler Anerkennung das Grundanliegen des Bundesverfassungsgerichts erneut, die Rechte und den Status des einzelnen Abgeordneten hoch zu halten.

Wie man hört, werden zur Beschleunigung des Erlasses von Gesetzen nicht nur Vorlagefristen gegenüber den Abgeordneten abgekürzt, sondern zunehmend auch Fristen für die Stellungnahmen von anderen Beteiligten wie z. B. von Interessenverbänden.  Deshalb sehen sich auch andere Beteiligte an Gesetzgebungsverfahren zunehmend einer Arroganz der Macht ausgesetzt und fühlen sich zurückgedrängt.

Man vernimmt weiter, dass davor schon öfter bedenkliche Verkürzungen von Abgeordnetenrechten stattgefunden haben, heißt, dass Gesetze im Eilverfahren durchgepeitscht worden sind.  Wie die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in einem Interview in „heute“ am 6.7.2023 gesagt hat, hat sie in einem Brief von Anfang März 2023 an sämtliche Fraktionsvorsitzende im Bundestag gewarnt, dass der Beschleunigungsmodus in Gesetzgebungsverfahren, wie er in Corona-Zeiten aufgrund einer Notsituation angezeigt war, nicht zum Regelfall werden darf.

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/bas-heizungsgesetz-parlament-100.html

Offenbar sah sich das Bundesverfassungsgericht nun bemüßigt, diesem (erfolglosen) Aufruf zur Mäßigung nun eine richterliche Ermahnung hinterherzuschicken. Der wahre Schaden, der aus solchen Verhaltensweisen resultiert, ist die Beschädigung des Ansehens des Parlaments von innen heraus. Wenn man nicht aufpasst, korrodiert die Demokratie von innen.  

Foto: pixabay. Danke Michael Gaida.